{"id":612,"date":"2023-06-28T14:43:02","date_gmt":"2023-06-28T12:43:02","guid":{"rendered":"http:\/\/einsteins.local\/?p=612"},"modified":"2023-07-19T16:54:43","modified_gmt":"2023-07-19T14:54:43","slug":"non-gender-beauty","status":"publish","type":"post","link":"http:\/\/einsteins.local\/non-gender-beauty","title":{"rendered":"(Non) Gender Beauty"},"content":{"rendered":"\n

Frauen sollen keine Haare an den Achseln, Beinen oder im Genitalbereich haben. Sie m\u00fcssen volle Lippen, gro\u00dfe Br\u00fcste haben und d\u00fcnn sein. Sie m\u00fcssen Make-up auftragen und sich feminin kleiden.<\/p>\n\n\n\n

M\u00e4nner sollen gro\u00df, muskul\u00f6s und m\u00e4nnlich sein. Sie d\u00fcrfen weder Make-up noch R\u00f6cke tragen. Sie sollen vorzugsweise tiefe Stimmen und kurze Haare haben.<\/p>\n\n\n\n

Wenn diese Eigenschaften nicht erf\u00fcllt werden, bist du komisch, zu wenig feminin oder zu wenig maskulin. Zumindest schreibt uns die Gesellschaft das so vor. Aber wer sagt eigentlich, was sch\u00f6n und was h\u00e4sslich ist? Ist der Begriff der Sch\u00f6nheit nicht generell etwas Subjektives? Trotzdem f\u00fchlen wir uns immer noch unter Druck gesetzt, einem Sch\u00f6nheitsstandard zu entsprechen.<\/p>\n\n\n\n

Sowohl Cis- Personen, die sich in jeder Hinsicht mit ihrem Geburtsgeschlecht identifiziert <\/span><\/span> als auch Transgender- Personen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifiziert, mit dem sie geboren wurde <\/span><\/span> und nicht-bin\u00e4ren Personen, die sich keinem bestimmten Geschlecht zugeh\u00f6rig wahrnimmt <\/span><\/span> Personen, f\u00fchlen t\u00e4glich den \u00e4sthetischen Druck der Gesellschaft, der sich auf ihr Selbstwertgef\u00fchl auswirkt. Aber f\u00fcr die queere Sammelbegriff f\u00fcr Personen, deren Geschlechtsidentit\u00e4t und\/oder sexuelle Orientierung nicht der zweigeschlechtlichen gesellschaftlichen Norm entspricht <\/span><\/span> Community ist dieser Standard noch um einiges schwieriger zu erf\u00fcllen. Nicht-bin\u00e4re und Transgender-Menschen werden t\u00e4glich mit Vorurteilen hinsichtlich ihres Aussehens konfrontiert, weil sie tendenziell nicht den Standards der normativen Cis-Gesellschaft entsprechen.<\/p>\n\n\n\n

Um besser zu verstehen, wie sich diese Menschen f\u00fchlen, haben wir unterschiedliche Personen getroffen, darunter Transgender-, nicht-bin\u00e4re-, Cis-, hetero und queere Menschen. Gerda, Merlyn, Sophie, Nana, J\u00f6rg, Lena, Alex und Jay erz\u00e4hlen uns, wie sie Sch\u00f6nheit empfinden, welchen Einfluss gesellschaftliche Vorstellungen von Sch\u00f6nheit und Geschlecht auf sie haben und wie ihr Weg hinsichtlich Selbstakzeptanz und Selbstwertgef\u00fchl verl\u00e4uft.<\/p>\n\n\n

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\u201cSch\u00f6nheit hei\u00dft f\u00fcr mich Aufrichtigkeit und Authentizit\u00e4t. Dass ich als der Mensch auftreten kann, der ich wirklich bin und keine Angst haben muss, ich selbst zu sein.\u201d<\/p>\n <\/div>\n \n <\/div>\n<\/div>\n\n\n\n

Nana, 19, nicht-bin\u00e4r Person, die sich keinem bestimmten Geschlecht zugeh\u00f6rig wahrnimmt <\/span><\/span> (Dey\/Dem\/Er\/Ihn)<\/strong><\/p>\n\n\n\n

\u201eAls ich zum ersten Mal einen Anzug anhatte, habe ich in den Spiegel geschaut und ich habe mich so unfassbar gut gef\u00fchlt, weil ich zum ersten Mal keine Frau gesehen habe, sondern einfach einen Menschen.“<\/p>\n\n\n\n

Nana hat schon als Kind gemerkt, dass er nicht in die Geschlechterbilder hineinpasst. Er hat sich nie als weiblich gesehen. Seine Interessen sind immer eher androgyn oder m\u00e4nnlich. Bis Nana sich selbst findet, erlebt er gro\u00dfen Schmerz und Verwirrung. Es gibt Tage, wo er mit seinem eigenen Spiegelbild nicht umgehen kann. Das \u00e4ndert sich nach und nach, als er beginnt, offen mit seiner Geschlechtsidentit\u00e4t umzugehen.
F\u00fcr Nana ist es das Sch\u00f6nste, einfach zuerst in die androgyne Richtung zu gehen und dann auch wirklich ins M\u00e4nnliche. Nicht nur Kleidungsst\u00fccke wie Anz\u00fcge tragen dazu bei, dass er sich sch\u00f6n und authentisch f\u00fchlt: K\u00fcrzlich hat Nana mit Taping experimentiert, also dem Abkleben der Br\u00fcste. Er sagt, die Erfahrung sei wundervoll f\u00fcr ihn gewesen. Die Br\u00fcste w\u00fcrden kleiner wirken und er habe gemerkt, wenn er wollte, dann k\u00f6nnte er jetzt als m\u00e4nnlich gelesene Person auftreten. Das sei f\u00fcr ihn unglaublich befreiend. Zum ersten Mal bestehe die M\u00f6glichkeit, die \u201eFrau\u201c-T\u00fcr zu schlie\u00dfen und nicht mehr als Frau gelesen zu werden.<\/p>\n\n\n\n

F\u00fcr Nana ist Nicht-Binarit\u00e4t die Erlaubnis, sich selbst auszuprobieren. Und obwohl er sich eher auf der maskulinen und androgynen Seite sieht, liebt er auch seine weiblichen Merkmale. \u201eMein K\u00f6rper ist in erster Linie mein K\u00f6rper. Und was ich an meinem K\u00f6rper auch so liebe, ist, dass er sowohl weibliche als auch m\u00e4nnliche Z\u00fcge hat. Ich habe auch erst sehr sp\u00e4t gelernt, dass ich meine weiblichen Anteile unfassbar sch\u00f6n finde und, dass ich unfassbar stolz auf meine Kurven bin.“<\/p>\n\n\n\n

Dennoch f\u00fchlt er bei einigen Arten von Damenkleidung wie Kleidern und R\u00f6cken Unsicherheit. Nana w\u00fcrde gerne Kleider tragen, weil er sie sch\u00f6n findet. Aber er wei\u00df, dass er feminin auftritt, wenn er das tut und ihn die Menschen direkt als weiblich lesen. Die ideale Welt w\u00e4re f\u00fcr Nana eine Welt, in der man das anziehen kann, was man anziehen m\u00f6chte und die eigene Identit\u00e4t trotzdem valide bleibt. Eine Welt, wo ein Kleid, ein Anzug und rasierte Haare ein Sch\u00f6nheitsideal f\u00fcr M\u00e4nner und Frauen sein k\u00f6nnen. Wo er sich in jeder Art von Kleidung sch\u00f6n f\u00fchlen kann.<\/p>\n\n\n

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"Sch\u00f6nheit ist ein Wohlgefallen, also keine Beleidigung der Augen oder der Sinne, sondern eine Bereicherung.\u201c<\/p>\n <\/div>\n \n <\/div>\n<\/div>\n\n\n\n

Gerda, 58, Transgender Person, die sich nicht mit dem Geschlecht identifiziert, mit dem sie geboren wurde <\/span><\/span> (Sie\/Ihr)<\/strong><\/p>\n\n\n\n

\u201eIch habe mit Sicherheit f\u00fcrchterlich ausgeschaut, aber ich habe mich wohlgef\u00fchlt. Der Rock war zu kurz, das Make-up war zu grell, der Lippenstift zu bunt. Aber ich habe mich richtig toll gef\u00fchlt.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Gerda l\u00e4chelt viel und strahlt eine W\u00e4rme aus, die direkt aus ihrem Herzen zu flie\u00dfen scheint. Die 58-j\u00e4hrige Ingolst\u00e4dterin will anderen Menschen Mut machen, die auch transident sind. Daf\u00fcr engagiert sie sich beim Trans*Treff Ingolstadt. Dort sind alle willkommen, ganz getreu dem Motto \u201eYou are not alone\u201c. Gerda ist angekommen, wei\u00df, dass sie so akzeptiert und wertgesch\u00e4tzt wird, wie sie ist.<\/p>\n\n\n\n

Schon in ihrer Kindheit hat sie gemerkt, dass sie anders ist, als andere, doch sie hatte keine Worte daf\u00fcr. Die Gesellschaft hatte keine Worte daf\u00fcr. \u201eAlles war nur schwul und b\u00e4h\u201c, sagt Gerda. Sie l\u00e4sst sich von den Meinungen anderer nicht von ihrem eigenen Weg abbringen. Sie probiert sich aus, spielt mit Make-up, Kleidung und Frisuren. In ihrer Pubert\u00e4t sucht sie nach Wegen, um ihre Weiblichkeit ausleben zu k\u00f6nnen. Mit einer Dauerwelle gef\u00e4llt ihr das eigene Spiegelbild noch besser. Die anderen h\u00e4tten sie zwar ausgelacht, aber das sei ihr egal gewesen, denn sie habe sich so endlich ein St\u00fcck mehr wie sie selbst gef\u00fchlt.<\/p>\n\n\n\n

Gerda wei\u00df, wer sie ist, und erkennt ihren K\u00f6rper als das an, was er ist: ihr K\u00f6rper. Zwar h\u00e4tte sie sich gefreut, wenn sie in der Pubert\u00e4t statt eines Bartes einen Brustansatz bekommen h\u00e4tte, doch Gerda sagt, dass Weiblichkeit auch von jedem Menschen anders definiert werde. F\u00fcr sie bedeutet es haupts\u00e4chlich, dass sie nicht m\u00e4nnlich ist. Als sie das erste Mal in einem Kleid zur Arbeit geht, steht sie ganze f\u00fcnf Minuten vor der T\u00fcr zu ihrem B\u00fcro, bevor sie es schafft, die T\u00fcrklinke herunterzudr\u00fccken. Doch sie meistert es, und hat zum ersten Mal das Gef\u00fchl, angekommen zu sein. Der gesellschaftliche Druck lastet hin und wieder dennoch auf ihren Schultern. Allein sei sie damit aber nicht: \u201eUns transidenten Menschen geht es, glaube ich, genauso wie jeder Cis-Frau, jedem Cis-Mann, dass wir unter diesen harten Geschlechternormen auch ein St\u00fcck weit leiden. Es ist schwierig diesen Normen immer wieder zu entsprechen.\u201c<\/p>\n\n\n

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\u201eF\u00fcr mich ist Sch\u00f6nheit eher eine Sache der \u00c4sthetik und tats\u00e4chlich sehr philosophisch. Sch\u00f6nheit ist absolut nicht nur etwas \u00c4u\u00dferes, sondern das ist f\u00fcr mich so ein Gesamtkonstrukt."<\/p>\n <\/div>\n \n <\/div>\n<\/div>\n\n\n\n

Merlyn\/Earl Grey, 22, Drag King Person, die sich auf stilisierte Weise mit einem \u00fcbertriebenen m\u00e4nnlichen Geschlechtsausdruck kleidet und verh\u00e4lt <\/span><\/span> und nicht-Bin\u00e4r Person, die sich keinem bestimmten Geschlecht zugeh\u00f6rig wahrnimmt <\/span><\/span> (Alle Pronomen)<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Ganz entspannt sitzt er auf seinem Bett, die Beine leicht verschr\u00e4nkt. Das Outfit ist komplett in schwarz gehalten, auff\u00e4llig sind jedoch die t\u00fcrkisfarbenen Socken auf denen immer wieder \u201eFuck Racism\u201c steht. So schlicht wie heute sieht man ihn in der \u00d6ffentlichkeit selten. Merlyn ist 22 Jahre alt und Dragk\u00fcnstler.<\/p>\n\n\n\n

Vor ein paar Jahren, w\u00e4hrend der Pandemie merkt Merlyn, dass er sich als nicht-bin\u00e4r identifiziert. Innerhalb seiner Familie lebt er nicht offiziell als nicht-bin\u00e4r, deshalb verwenden sie auch noch seinen alten Namen. Aktuell habe er nicht die Energie oder das Bed\u00fcrfnis das zu \u00e4ndern.<\/p>\n\n\n\n

Im Dezember 2022 sieht Merlyn online zuf\u00e4llig, dass noch ein:e Teilnehmer:in f\u00fcr ein Drag-Lipsync-Battle in M\u00fcnchen gesucht wird und entschlie\u00dft sich kurzfristig, daran teilzunehmen. Schon lange fasziniert ihn die Drag-Szene, die M\u00f6glichkeit sich selbst in so vielen unterschiedlichen Formen auszudr\u00fccken, die Freiheit mit einer ganz eigenen Sch\u00f6nheit zu experimentieren. Er findet es spannend die Sch\u00f6nheit aus scheinbar nicht sch\u00f6nen Dingen herauszuarbeiten, wie zum Beispiel aus dem Horror oder dem Zirkus.<\/p>\n\n\n\n

Mittlerweile ist er in der Drag-Szene angekommen und hat seinen eigenen Drag-Charakter etabliert: Earl Grey. Er ist f\u00fcr Merlyn zwar er selbst, aber immer noch eine Kunstfigur. Wenn Merlyn als Earl Grey drau\u00dfen ist, dann ist er nicht immer hundertprozentig im Charakter: \u201eWenn ich mit meinen Freunden rede, komme ich da schonmal wieder raus. Manchmal bin ich mir nicht ganz sicher, welche Version von mir selbst da gerade unterwegs ist.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Drag ist f\u00fcr Merlyn vor allem auch die M\u00f6glichkeit und die Freiheit seinen K\u00f6rper so darzustellen, wie er m\u00f6chte. Viele Jahre lang hat er Ballett getanzt und dort toxische K\u00f6rperbilder erlebt. Seit seiner Jugend wird er in die Sch\u00f6nheitsideale hineingepresst, die im klassischen Tanz vorherrschen: langgliedrig, schmal, gro\u00df und flexibel. Unter diesem Bild hat fr\u00fcher auch sein Selbstwertgef\u00fchl gelitten. Seitdem hat sich jedoch viel verbessert, weil er die Zeit hatte mit sich selbst ins Reine zu kommen. \u201eDurch Drag habe ich die Chance, zu zeigen, wer ich bin und das zu tun, was mir Spa\u00df macht und worin ich gut bin.\u201c<\/p>\n\n\n\n