Glückspiel -
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Fabian Theis (Name geändert) grinst unsicher. Nach einem halben Jahr ist er wieder in der in der kleinen Stadt, steht vor der Kneipe, in die er rein will, aber nicht soll. Er weiß, einige seiner alten Freunde sitzen hier am Tresen - "keine Zocker" - aber er weiß auch, dass im Séparée seine Erzfeinde lauern, seine Ausbeuter: Geldspielautomaten.

Fünfeinhalb Jahre Spielhalle: wer spielt mit wem?


Fünf lange Jahre haben sie ihn geknechtet, vom ersten Kontakt an war er ihnen Untertan. Das war mit 15. Erfolgreicher Einstieg: mit ein paar "Zehnerlen" Einsatz hat er damals in der Dönerbude sechs oder sieben Mark gewonnen. Für den Rest seiner Sklaverei hat er den nimmersatten Plastikmonstern seine letzten Groschen in die gierigen Rachen geschoben.

Zunächst traf er sich mit Kollegen nach der Berufsschule in einer Bar, zum Billardspielen und "es wurde eben immer öfter Automaten gezockt." Später ging er allein in Spielhallen - statt in die Berufsschule. Als das rauskam, verlor Fabian seinen - verhältnismäßig gut dotierten - Ausbilsdungsplatz als Industriemechaniker und fing an, Pizzas auszufahren - auf 630 Mark-Basis. Ironie des Schicksals: Selbst in der Zentrale seines Arbeitgebers musste er auf die Zockerei nicht verzichten.

Tiefer Fall

Mit seinen 21 Jahren sitzt Fabian jetzt auf einem Schuldenberg von zwanzig tausend Euro. Man werde hemmungslos: immer wieder ein Markstückchen, mal ein Fünfer und wenn der Geldbeutel leer ist, schluckt die Kiste auch die dreißig Pfennig Wechselgeld vom Colaweizen.

Geldspielautomaten: immer hungrig nach Hartgeld

Erst die Besuche bei der Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt ließen ihn seine Sucht realisieren. Vorher regierte er aggressiv, wenn ihn jemand auf das Problem ansprach. Jetzt lebt er in einer betreuten Wohngruppe in Nürnberg. Um zu verhindern, in alte Muster zurückzufallen, muss er jede Art von Spiel meiden, selbst Backgammon ist tabu. Die pietistische Weisheit, Spielkarten seien des Teufels Gebetbuch, nimmt für Fabian Theis ganz reale Formen an.

High Society ->

In der Spielhalle

Nichts geht mehr. Ein Kunde klopft mit der flachen Hand resigniert auf einen der drei Automaten, die in einer Reihe monoton vor sich hin blinken und quengeln.

Funktional: Aussenarchitektur und Intérieur korrespondieren (hier eine andere Automatenhölle)

Die Wirtschaft nahe dem Nürnberger Königstorgrabens ist gut ausgeleuchtet. Gegenüber die Lichterreklame eines Sex-Shops, drinnen der flackernde Schein von einem knappen Dutzend Geldspielautomaten. Wirt Kadir möchte keine Fotos.

Die Tresen ist verwaist, Kadir blättert in einem Automagazin. Die drei Gäste haben jede Menge Platz an den sieben Automaten, Bier und Kaffee sind billig.

Eine vielleicht 50jährige, stämmige Frau mit schwarzen Locken sitzt aufrecht auf ihrem Barhocker. Ihr gegenüber: Geldspielautomat Modell "Mega Sunny". Neues Spiel, neues Glück. Während sie mit dem rechten Handballen die Gewinnleiter nach oben drückt, glüht ihre Zigarette auf. Sie bläst den Raus aus und Mega Sunny singt seine Pech-gehabt-Melodie.

Im Casino ->

Einarmige Banditen

Hektische Tonfolgen, blinkende Lichter: Fabian Theis zogen schon als Kind Geldspielautomaten magisch an, wenn er mit seinen Eltern Sonntags in die Gastwirtschaft ging. Natürlich haben sie ihn nie spielen lassen: wie so viele Drogen profitieren auch Geldspielautomaten vom Nimbus des Gefährlich-Verbotenen.

Neues Spiel - neues Glück: Münzen drin - Sonne strahlt

Mit der Entwicklung und Produktion der ersten Geldspielautomaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den USA beginnt der Siegeszug der "Einarmigen Banditen". Das Prinzip des Automatenspiels ist denkbar einfach. Auf drei sich drehenden Walzen befinden sich verschiedene Symbole. Die Walzen werden mit Hilfe eines seitlichen Hebels oder elektronisch in Bewegung gesetzt und per Zufall gestoppt. Erscheinen gleiche Symbole nebeneinander, hat der Spieler gewonnen und bekommt den Gewinn ausgezahlt oder auf dem Zähler gutgeschrieben.

Heute werden die Walzen zunehmend durch Prozessoren gesteuert und die Mechanik wird von Videoanzeigen verdrängt. In großen Automatenspielsälen finden sich elektronische Roulette-Spiele, Pferderennen und Spielautomaten mit Video-Animationen. Einzelne Geräte werden gar miteinander vernetzt und bauen attraktive Jackpots auf. Trotzdem bleibt in den Automatenspielsälen bis heute das wichtigste Detail ein profanes Geräusch: das Scheppern der Münzen bei der Gewinnauszahlung.

Fortuna bleibt regungslos ->

Steffen Windschall