Für besseren Umweltschutz, gegen Atomkraft. Für Chancengleichheit, gegen Aufrüstung – die Bewegungsstiftung unterstützt Protestbewegungen und Menschen, die hauptberuflich demonstrieren.
von Matthias Reinelt und Daniela Weichselgartner
Sie wollen sich für etwas einsetzen, Sie wollen protestieren, Sie wollen für eine bessere Welt kämpfen, brauchen dafür aber finanzielle Hilfe? Dann sind Sie bei der Bewegungsstiftung an der richtigen Stelle. Würde man eine Werbeanzeige für die Bewegungsstiftung schalten wollen, so könnte sie klingen.
Umwelt, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Globalisierung, Flucht und Migration – es ist ein breites Themenspektrum, das die Stiftung in den vergangenen 15 Jahren gefördert hat. Etwa vier Millionen Euro hat die Bewegungsstiftung bisher schon „in Bewegung gebracht“, also in Kampagnen und Projekte gesteckt, sagt Wiebke Johanning, die seit zehn Jahren in der Geschäftsstelle der Stiftung arbeitet.
Probleme haben Aktivisten immer wieder dabei, genügend Geld für ihre Aktionen zusammenzubekommen. „In Deutschland fehlte eine Einrichtung, die zwischen Geldgebern und Protestbewegungen vermittelt“, sagt Dr. Felix Kolb. Zusammen mit Jörg Rohwedder und Christoph Bautz entwickelte er die Idee zur Bewegungsstiftung. Die drei, die allesamt politisch sehr aktiv waren, suchten sich weitere Mitstreiter. Durch eine Anzeige in der TAZ und verschiedene Infoveranstaltungen fanden sie Gleichgesinnte: Neun Stifter trugen das Gründungskapital von 250 000 Euro zusammen und gründeten damit am 2. März 2002 die Bewegungsstiftung. Unter ihnen waren sowohl Millionäre als auch Leute des Mittelstands. „Ohne die Millionäre wäre es nicht möglich gewesen“, sagt Kolb. Das Modell der Bewegungsstiftung orientiert sich an amerikanischen Vorbildern wie dem Haymarket People’s Fund, der vor allem Graswurzelinitiativen unterstützt. Das sind Basisbewegungen, die aus der Mitte der Gesellschaft und in erster Linie auf Initiative von Privatpersonen entstehen und einen gesellschaftlichen oder politischen Wandel herbeiführen wollen. Viele der Stifter sind über Erbschaften reich geworden, alle eint der Wille, soziale Bewegungen zu unterstützen.
Stiftungskapital
Stifter.innen
Doch einfach dagegen sein reicht nicht. Nach strengen Kriterien fördert die Stiftung Kampagnen und Projekte, die sich für sozialen Wandel einsetzen. In diesen Förderrichtlinien ist zum Beispiel festgelegt, dass nur gefördert wird, wer seinen Protest umweltschonend organisiert, fair mit dem politischen Gegner umgeht und sich gewaltfrei engagiert. Vor allem kleine Initiativen profitieren von der Bewegungsstiftung, weil diese oft die Tür dafür öffnet, dass auch andere Geldgeber auf die Initiativen aufmerksam werden. „Dadurch haben wir natürlich auch eine gewisse Verantwortung, dass wir sorgsam auswählen, wen wir fördern“, sagt Kolb.
Projekte haben die Chance auf Förderung, wenn sie ein politisch strittiges Thema aufgreifen und gemeinwohlorientiert für Verbesserung streiten. Menschen sind gegen den Schweinemaststall im eigenen Dorf und engagieren sich dagegen. Das ist eigentlich gut, doch das ist bei der Bewegungsstiftung für die Förderung zu kurz gedacht. Geld bekommt, wer sich nicht nur für die eigenen Interessen einsetzt, sondern Probleme bezogen auf alle Menschen angeht, also zum Beispiel gegen Massentierhaltung kämpft.
2017 hat die Bewegungsstiftung neun Kampagnen mit insgesamt 115 200 Euro unterstützt. „Women in Exile & Friends“ ist eine Initiative von Flüchtlingsfrauen, die für ihre Rechte kämpfen. „Stay Grounded“ möchte politisch Druck machen, damit der Flugverkehr begrenzt wird. „Konzernmacht Grenzen setzen“ will die Macht weniger großer Konzerne im Bereich Landwirtschaft und Ernährung einschränken. „Es gibt unglaublich viele Themen, die dringend danach rufen, dass Menschen sich engagieren, dass sie auf die Straße gehen und für Veränderung streiten“, sagt Johanning.
In der Stiftung werden die Stifter in Entscheidungsprozesse eingebunden. Wer eine Zustiftung von 5 000 Euro leistet, ist stimmberechtigtes Mitglied. Beispielsweise bei der Entscheidung, welche Projekte gefördert werden, haben die Stifter Einfluss. In der Antragsrunde kann der Beirat der Stifterinnen und Stifter seine Favoriten vorschlagen. Oberstes Entscheidungsgremium für die Förderanträge ist dann der Stiftungsrat. Er setzt sich aus einem Vertreter der geförderten Projekte, einem Vertreter der Stifter und drei Experten zusammen.
„Bei der Stiftung entscheidet nicht ein Einzelner, sondern sowohl die Stifter als auch die Geförderten. Das ist ein zentraler Punkt“, sagt Johanning. Einmal im Jahr kommen alle auf der „Strategiewerkstatt“ zusammen und beraten sich über die Ausrichtung der Stiftung. Mit 7,2 Millionen Euro Stiftungskapital ist die Bewegungsstiftung eine der kleineren Stiftungen in Deutschland. „Man kann aber nicht nur am Stiftungskapital ablesen, wie wirkungsmächtig eine Stiftung ist“, sagt Johanning. Wichtiger als Geld zu geben ist der Stiftung die Vernetzung und der Austausch unter den Aktivisten und deren Projekten. „Dadurch muss man das Rad nicht immer neu erfinden. Es kann sehr viel Energie sparen, wenn die Initiativen von den Erfahrungen anderer profitieren können“, erklärt Johanning. Erfolgreiches Fundraising müssten alle Aktivisten beherrschen, egal ob sie für besseren Datenschutz oder gegen Waffenexporte kämpfen.
2003 hat die Stiftung mit Sitz in Verden in Niedersachsen außerdem das Programm der Bewegungsarbeiter ins Leben gerufen. Paten spenden monatlich Geld an die zehn Bewegungsarbeiter, die sich hauptberuflich in Protestbewegungen engagieren. Jeder Aktivist wird von unterschiedlich vielen Paten unterstützt. Manche bekommen 200 Euro von vier Paten. Die Aktivistin mit den meisten Paten ist Cécile Lecomte. 40 Paten spenden insgesamt 900 Euro für sie.
Pat.innen
Bewegungsarbeiter.innen
Warum braucht es diese ungewöhnliche Stiftung, die das Geld ihrer Unterstützer dahin gibt, wo sich Menschen engagieren und protestieren? Demokratie, Bürger– und Menschenrechte, all das sei den Menschen nicht geschenkt worden von irgendwelchen Regierungsvertretern, sagt Johanning. „Das ist von Menschen erkämpft worden, die auf die Straße gegangen sind. Deswegen braucht es Bewegung und Protest.“ Ein Vorwurf, den die Bewegungsarbeiter und ihre Paten immer wieder hören: Die einen bezahlen die anderen dafür, dass sie protestieren. Sie entlasten ihr schlechtes Gewissen damit, dass sie ihr Geld denen geben, die sich voll und ganz dem Protest widmen. „Das ist eine sehr ideologische Kritik“, entgegnet dem Kolb. Es gebe nun einmal Menschen, die aufgrund ihres Jobs keine Zeit für Protest haben. Dann sei es besser, finanziell zu unterstützen statt überhaupt nichts beizutragen.
Bisher in Projekte gesteckte Fördergelder
Außerdem sei der größte Anteil der Menschen in der Stiftung auch selbst in sozialen Bewegungen aktiv, deutlich höher als bei der Durchschnittsbevölkerung, sagt Johanning. Auch sie hält den Vorwurf für nicht gerechtfertigt. Es gebe viele Stifter, die „politisch nicht nur reden, sondern auch handeln“, sagt sie. Viele Stifter sind Alt–68er, haben selbst Erfahrungen in Protestbewegungen gemacht, sind in den 70ern und 80ern gegen Atomkraft und Aufrüstung auf die Straße gegangen. „Sie haben eine direkte Verbindung dazu, was sich mit Protest bewirken lässt und wie sich die Gesellschaft verändern kann, wenn sich Menschen einbringen und auf die Straße gehen“, sagt Johanning.
Im EINSTEINS Print-Magazin lernt ihr in der Reportage „Ich mache aus Prinzip Stress“ die Bewegungsarbeiterin Cécile Lecomte kennen.
Für besseren Umweltschutz, gegen Atomkraft. Für Chancengleichheit, gegen Aufrüstung – die Bewegungsstiftung unterstützt Protestbewegungen und Menschen, die hauptberuflich demonstrieren.
von Matthias Reinelt und Daniela Weichselgartner
Sie wollen sich für etwas einsetzen, Sie wollen protestieren, Sie wollen für eine bessere Welt kämpfen, brauchen dafür aber finanzielle Hilfe? Dann sind Sie bei der Bewegungsstiftung an der richtigen Stelle. Würde man eine Werbeanzeige für die Bewegungsstiftung schalten wollen, so könnte sie klingen.
Umwelt, Menschenrechte, Gleichberechtigung, Globalisierung, Flucht und Migration – es ist ein breites Themenspektrum, das die Stiftung in den vergangenen 15 Jahren gefördert hat. Etwa vier Millionen Euro hat die Bewegungsstiftung bisher schon „in Bewegung gebracht“, also in Kampagnen und Projekte gesteckt, sagt Wiebke Johanning, die seit zehn Jahren in der Geschäftsstelle der Stiftung arbeitet.
Probleme haben Aktivisten immer wieder dabei, genügend Geld für ihre Aktionen zusammenzubekommen. „In Deutschland fehlte eine Einrichtung, die zwischen Geldgebern und Protestbewegungen vermittelt“, sagt Dr. Felix Kolb. Zusammen mit Jörg Rohwedder und Christoph Bautz entwickelte er die Idee zur Bewegungsstiftung. Die drei, die allesamt politisch sehr aktiv waren, suchten sich weitere Mitstreiter. Durch eine Anzeige in der TAZ und verschiedene Infoveranstaltungen fanden sie Gleichgesinnte: Neun Stifter trugen das Gründungskapital von 250 000 Euro zusammen und gründeten damit am 2. März 2002 die Bewegungsstiftung. Unter ihnen waren sowohl Millionäre als auch Leute des Mittelstands. „Ohne die Millionäre wäre es nicht möglich gewesen“, sagt Kolb. Das Modell der Bewegungsstiftung orientiert sich an amerikanischen Vorbildern wie dem Haymarket People’s Fund, der vor allem Graswurzelinitiativen unterstützt. Das sind Basisbewegungen, die aus der Mitte der Gesellschaft und in erster Linie auf Initiative von Privatpersonen entstehen und einen gesellschaftlichen oder politischen Wandel herbeiführen wollen. Viele der Stifter sind über Erbschaften reich geworden, alle eint der Wille, soziale Bewegungen zu unterstützen.
Doch einfach dagegen sein reicht nicht. Nach strengen Kriterien fördert die Stiftung Kampagnen und Projekte, die sich für sozialen Wandel einsetzen. In diesen Förderrichtlinien ist zum Beispiel festgelegt, dass nur gefördert wird, wer seinen Protest umweltschonend organisiert, fair mit dem politischen Gegner umgeht und sich gewaltfrei engagiert. Vor allem kleine Initiativen profitieren von der Bewegungsstiftung, weil diese oft die Tür dafür öffnet, dass auch andere Geldgeber auf die Initiativen aufmerksam werden. „Dadurch haben wir natürlich auch eine gewisse Verantwortung, dass wir sorgsam auswählen, wen wir fördern“, sagt Kolb.
Projekte haben die Chance auf Förderung, wenn sie ein politisch strittiges Thema aufgreifen und gemeinwohlorientiert für Verbesserung streiten. Menschen sind gegen den Schweinemaststall im eigenen Dorf und engagieren sich dagegen. Das ist eigentlich gut, doch das ist bei der Bewegungsstiftung für die Förderung zu kurz gedacht. Geld bekommt, wer sich nicht nur für die eigenen Interessen einsetzt, sondern Probleme bezogen auf alle Menschen angeht, also zum Beispiel gegen Massentierhaltung kämpft.
2017 hat die Bewegungsstiftung neun Kampagnen mit insgesamt 115 200 Euro unterstützt. „Women in Exile & Friends“ ist eine Initiative von Flüchtlingsfrauen, die für ihre Rechte kämpfen. „Stay Grounded“ möchte politisch Druck machen, damit der Flugverkehr begrenzt wird. „Konzernmacht Grenzen setzen“ will die Macht weniger großer Konzerne im Bereich Landwirtschaft und Ernährung einschränken. „Es gibt unglaublich viele Themen, die dringend danach rufen, dass Menschen sich engagieren, dass sie auf die Straße gehen und für Veränderung streiten“, sagt Johanning.
In der Stiftung werden die Stifter in Entscheidungsprozesse eingebunden. Wer eine Zustiftung von 5 000 Euro leistet, ist stimmberechtigtes Mitglied. Beispielsweise bei der Entscheidung, welche Projekte gefördert werden, haben die Stifter Einfluss. In der Antragsrunde kann der Beirat der Stifterinnen und Stifter seine Favoriten vorschlagen. Oberstes Entscheidungsgremium für die Förderanträge ist dann der Stiftungsrat. Er setzt sich aus einem Vertreter der geförderten Projekte, einem Vertreter der Stifter und drei Experten zusammen.
„Bei der Stiftung entscheidet nicht ein Einzelner, sondern sowohl die Stifter als auch die Geförderten. Das ist ein zentraler Punkt“, sagt Johanning. Einmal im Jahr kommen alle auf der „Strategiewerkstatt“ zusammen und beraten sich über die Ausrichtung der Stiftung. Mit 7,2 Millionen Euro Stiftungskapital ist die Bewegungsstiftung eine der kleineren Stiftungen in Deutschland. „Man kann aber nicht nur am Stiftungskapital ablesen, wie wirkungsmächtig eine Stiftung ist“, sagt Johanning. Wichtiger als Geld zu geben ist der Stiftung die Vernetzung und der Austausch unter den Aktivisten und deren Projekten. „Dadurch muss man das Rad nicht immer neu erfinden. Es kann sehr viel Energie sparen, wenn die Initiativen von den Erfahrungen anderer profitieren können“, erklärt Johanning. Erfolgreiches Fundraising müssten alle Aktivisten beherrschen, egal ob sie für besseren Datenschutz oder gegen Waffenexporte kämpfen.
2003 hat die Stiftung mit Sitz in Verden in Niedersachsen außerdem das Programm der Bewegungsarbeiter ins Leben gerufen. Paten spenden monatlich Geld an die zehn Bewegungsarbeiter, die sich hauptberuflich in Protestbewegungen engagieren. Jeder Aktivist wird von unterschiedlich vielen Paten unterstützt. Manche bekommen 200 Euro von vier Paten. Die Aktivistin mit den meisten Paten ist Cécile Lecomte. 40 Paten spenden insgesamt 900 Euro für sie.
Warum braucht es diese ungewöhnliche Stiftung, die das Geld ihrer Unterstützer dahin gibt, wo sich Menschen engagieren und protestieren? Demokratie, Bürger– und Menschenrechte, all das sei den Menschen nicht geschenkt worden von irgendwelchen Regierungsvertretern, sagt Johanning. „Das ist von Menschen erkämpft worden, die auf die Straße gegangen sind. Deswegen braucht es Bewegung und Protest.“ Ein Vorwurf, den die Bewegungsarbeiter und ihre Paten immer wieder hören: Die einen bezahlen die anderen dafür, dass sie protestieren. Sie entlasten ihr schlechtes Gewissen damit, dass sie ihr Geld denen geben, die sich voll und ganz dem Protest widmen. „Das ist eine sehr ideologische Kritik“, entgegnet dem Kolb. Es gebe nun einmal Menschen, die aufgrund ihres Jobs keine Zeit für Protest haben. Dann sei es besser, finanziell zu unterstützen statt überhaupt nichts beizutragen.
Außerdem sei der größte Anteil der Menschen in der Stiftung auch selbst in sozialen Bewegungen aktiv, deutlich höher als bei der Durchschnittsbevölkerung, sagt Johanning. Auch sie hält den Vorwurf für nicht gerechtfertigt. Es gebe viele Stifter, die „politisch nicht nur reden, sondern auch handeln“, sagt sie. Viele Stifter sind Alt–68er, haben selbst Erfahrungen in Protestbewegungen gemacht, sind in den 70ern und 80ern gegen Atomkraft und Aufrüstung auf die Straße gegangen. „Sie haben eine direkte Verbindung dazu, was sich mit Protest bewirken lässt und wie sich die Gesellschaft verändern kann, wenn sich Menschen einbringen und auf die Straße gehen“, sagt Johanning.
Im EINSTEINS Print-Magazin lernt ihr in der Reportage „Ich mache aus Prinzip Stress“ die Bewegungsarbeiterin Cécile Lecomte kennen.