Symmetrie

Wie beeinflusst Symmetrie unser Schönheitsempfinden heute?

Wir finden Symmetrie überall auf der Erde. 95% aller Tiere und auch der Mensch sind bilateral symmetrisch, also ihr Körper ist in zwei beinahe spiegelbildliche Hälften teilbar. Man kann sie in den Kristallen der Schneeflocke, den Streifen des Zebras, den geordneten Planetenbahnen und noch vielem mehr finden.

Lebewesen sind nicht ohne Grund symmetrisch. Die Suche nach den Gründen führt uns von der Zelle, über den Schmetterling, den Frosch, die Rauchschwalbe und den Hirsch bis zu uns, den Menschen. Unsere Spurensuche ist dabei stets mit der Frage verbunden: „Wie beeinflusst Symmetrie unser Schönheitsempfinden“ und „Finden wir alles symmetrische attraktiv?“ So einfach zu klären ist die Frage nämlich nicht …

Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, muss zunächst geklärt werden, was man eigentlich unter Symmetrie versteht. Auch bei Symmetrie gibt es nicht nur Achsensymmetrie und Punktsymmetrie, wie man sie aus dem Matheunterricht kennt. In der Wissenschaft spricht man bei Achsensymmetrie von Zygomorph. Spiegelsymmetrie kann auch als Bilaterale Symmetrie bezeichnet werden. Radialsymmetrisch aufgebaute Lebewesen haben mehrere strahlenförmig durch die Längsachse verlaufende Symmetrieebenen. Und auch drehsymmetrische Symmetrie existiert, wenn die Eigenschaften von Lebewesen bei einer Drehung unverändert bleiben.

Arten von Symmetrie

Symmetrische Dinge, sind einfacher zu bauen

Warum tritt Symmetrie in der Natur an so vielfältigen Stellen auf? Zunächst hat die Ursache wenig mit den Aspekten „Schönheit“ oder „Attraktivität“ zu tun. Vielmehr geht es um einen pragmatischen Grund: Symmetrische Dinge sind leichter zu bauen.

Warum die Symmetrie so einfach ist

Was es damit auf sich hat, erklärt uns Gabor Paal, Leiter der Abteilung Wissenschaft und Bildung beim SWR. Er hat sich in Artikeln, Hörbeiträgen und Büchern viel mit dem Thema Symmetrie und Schönheit im wissenschaftlichen Kontext beschäftigt:

Ein anschauliches Beispiel, warum Symmetrisches einfacher zu „bauen“ ist als Asymmetrisches, sehen wir im Aufbau der Zelle.

Die einzelne Zelle ist die kleinste Einheit des pflanzlichen, tierischen und damit auch des menschlichen Körpers.

Der Organismus beginnt als einzelne Zelle und muss sein genetisches Material zu organisieren, um sicherzustellen, dass jede Tochterzelle eine Kopie jedes Genes hat, bevor es sich spaltet.

Eine einfachere Bauweise bedeutet auch, dass der Aufwand und die Komplexität reduziert wird. Denn bei einem symmetrischen Körper braucht die Zelle nur einen Bauplan und nicht zwei. Alle Abweichungen von der Symmetrie müssen einen zusätzlichen Regulationsvorgang haben.

Komplexität von symmetrischen Tieren

Auch wenn wir mit Blick auf die Zelle gesehen haben, dass Symmetrie die Konstruktion von Lebewesen vereinfacht, heißt das nicht, dass Symmetrie per se „einfach“ ist. Deutlich wird das beispielsweise, wenn wir uns die Schönheit und Komplexität der Schmetterlinge vor Augen führen.

Schmetterlinge faszinieren mit ihren Farben und Formen, ihrer Eleganz und mit exakter Symmetrie. Hält man einen Spiegel in die Mitte des Tieres, ergänzt sich die Hälfte zu einem Ganzen. Die zwei Flügel sind in Bezug auf ihre Größe, Farbe und Muster fast komplett achsensymmetrisch und damit ein Paradebeispiel für Symmetrie in der Natur. Dennoch sind sämtliche Arten der Symmetrie Idealformen, eine vollkommene, perfekte Symmetrie findet sich in der Natur selten.

Erkennung von Artgenossen
Einzigartige Muster und Farben von Schmetterlingsarten dienen der Erkennung ihrer Artgenossen. Unterschiedlichste Flügelfarbmuster zieren die südamerikanischen Heliconius Falter. Jeder Falter trägt ein Muster ganz spezifisch für seine Art.

Aus verschiedenen Populationen züchteten Forscher künstliche Hybride. Es entstanden Farbkombinationen, die so nie in der Natur vorkämen. Keiner der gezüchteten konnte sich mit den natürlichen Faltern fortpflanzen.

Abwehr von Fressfeinden
Auf manchen Schmetterlingsflügeln wie zum Beispiel beim Tagepfauenauge finden sich nachgeahmte Augen. Diese halten Fressfeinde fern. Nährt sich ein Feind, klappt er schnell seine Flügel mit den Augen auf. Die großen Augen sollen Fressfeinden, wie Vögeln signalisieren: Hier handelt es sich um ein großes Tier und keine Beute. So besitzt das Tagpfauenauge durch seine symmetrischen Muster einen Überlebensvorteil gegenüber anderen Arten.

Zeichen für Umweltstress

Ungleichheit Asymmetrie der Flügel bedeutet bei Schmetterlingen Umweltstress. Die Struktur, Muster und Farben der Flügel unterscheiden sich dann – und das zufällig.  So weichen kleine isolierte Populationen teils stark von der eigentlichen Art ab. Oft sind sie nicht mehr symmetrisch. So erzählen die Flügel des Schmetterlings uns die Geschichte ihrer Evolution und ihren Populationen.

Fluktuierende und gerichtete Asymmetrie

Nicht nur Symmetrie kann man kategorisieren und einteilen, auch Asymmetrien können in gerichtete Asymmetrien und fluktuierende Asymmetrien unterteilt werden. Bei einer gerichteten Asymmetrie befindet sich das Merkmal ganz gezielt genetisch nur auf einer Körperseite. Beispielsweise ist ein Schneckenhaus immer in die gleiche Richtung gedreht. Eine Drehung in die andere Richtung ist äußerst selten. Anders sieht dies bei einer fluktuierenden Asymmetrie aus, dort befindet sich das Merkmal mal links, mal rechts. Zum Beispiel kann im menschlichen Gesicht das linke Ohr ein bisschen höher als das rechte Ohr sein.

Warum die Symmetrie so einfach ist

Nimmt man das Beispiel der asymmetrischen Muster auf den Flügeln der Schmetterlinge, fällt auf, dass Asymmetrien evolutionär nicht geplant sind. Was die Forschung dazu sagt, erklärt der Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie:

„Es kann eher angenommen werden, dass die Evolution Abweichungen von der Symmetrie geschaffen hat, als dass sie Symmetrie geschaffen hat, denn immer, wenn sich neue Bewegungsweisen oder Sinne entwickeln, dann müssen Symmetriebrechungen stattfinden.“

Blumen unterliegen oft einer stark gerichteten Selektion, also Anpassung, an Bestäuber.

Diese starke Anpassung der Blumen an ihre Bestäuber kann das Gleichgewicht der Entwicklung von Blumen stören. Dies kann sich darin äußern, dass Blumen während der Evolution ihre Blüten verändern, um neue und passende Bestäuber anzulocken.

Dieses Ungleichgewicht der Entwicklung äußert sich dann in fluktuierender Asymmetrie, also einer unregelmäßigen, asymmetrischen Anordnung von zum Beispiel Blütenblättern.

Fluktuierende Asymmetrie in Blüten kann zu einer sexuellen Selektion führen, wenn Bestäuber ausschließlich symmetrische Blüten besuchen. So werden die angepassten asymmetrischen Blüten nur noch von einem bestimmten Bestäuber besucht und nicht mehr von allen Bestäubern.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Bestäuber symmetrische Blüten bevorzugen, da diese mehr Nektar beinhalten als asymmetrische Blüten. Bei asymmetrischen Blüten ist die Anzahl der Bestäuber automatisch limitiert, da die Bestäuber exakt auf die Blüte angepasst sein müssen. Diese Anpassung nennt man auch Koevolution.

Symmetrie als Stabilität der Fortbewegung

Auch wenn Fortbewegung in Form von beispielsweise Laufen, Springen und Rennen nicht unbedingt gleich mit Symmetrie assoziiert wird, spielt sich auch dort eine wichtige Rolle.

Die meisten Lebewesen zeigen, dass ein symmetrischer Körper sowohl im Stand als auch in Bewegung stabiler ist als ein asymmetrischer. Sind beispielsweise die Beine eines Frosches links und rechts gleich, kann er sich schneller und effizienter bewegen. Gleichen sich aber Gliedmaßen nicht aus, ist das Gewicht des Tieres schlecht ausbalanciert und sie bewegen sich ineffizienter und oft langsamer. Ohne eine Symmetrie der Flügel könnten Vögel, wie z.B. die Rauchschwalbe, nicht oder schlechter fliegen. Asymmetrisch angelegte Flügel haben dann Auswirkungen auf den Paarungserfolg und Nachkommen. Erstens können symmetrisch gebaute Vögel beispielsweise besser und schneller zu einem für die Paarung interessanten Weibchen fliegen. Zweitens wurde das Weibchen evolutionär so geprägt, dass es symmetrisch gebaute Männchen bei der Partnerwahl bevorzugt.  

Besserer Flug mit symmetrischen Federn?

Zur Wirkung von symmetrischen Flügeln bei der Rauchschwalbe führte der Forscher Anders Pape Moeller eine heutzutage immer noch sehr relevante Studie durch. Genauere Ausführungen und eine Einordnung schildert der Evolutionsbiologe und Zoologe Prof. Dr. Heinze der Universität Regensburg.

Kritik an der Studie:

Doch es gibt durchaus auch berechtige Kritik an der Studie. Einer der Gründe ist, dass die Asymmetrie der Schwanzfedern sich natürlich auch auf das Flugverhalten der Männchen auswirkt. Das spielt wahrscheinlich auch bei der Partnerwahl eine große Rolle. Außerdem engagieren sich die Männchen auch an der Verpflegung der Nachkommen und wenn das Weibchen sieht „dieses Männchen kann nicht so toll fliegen“, dann sucht es sich vielleicht ein anderes Männchen aus, dass die Nachkommen besser versorgen kann.

Asymmetrien entstehen während der Embryonalentwicklung. Auslöser sind äußere Faktoren, wie Stress auf die Mutter, Krankheiten, Inzucht oder andere genetische Probleme.

Die Entwicklung des Embryos ist nicht so gut gepuffert und so entstehen Mutationen.

Dies bewirkt einen Nachteil bei der Partnerwahl, da Tiere mit Mutationen nicht die „schönen Gene“ besitzen und Weibchen sie so bei der Auswahl benachteiligen.

Symmetrie als natürliche und sexuelle Selektion

Eine symmetrische Anordnung der Augen und Ohren ist für Tiere überlebenswichtig. Das liegt daran, dass ein Körper motorisch umso besser funktioniert, je symmetrischer er ist. Dadurch konnten sich über Jahrtausende hinweg symmetrisch gebaute Tiere mit ihren Genen durchsetzen. Auch für die Partnerwahl spielt dies eine Rolle. Denn auf Weibchen wirkt ein symmetrischer Körperbau gesünder und fitter als ein asymmetrischer. Bei der Partnersuche des Hirsches wirkt das Männchen mit großem, symmetrischem Geweih attraktiver. Die Rauchschwalbe paart sich eher mit einem Männchen, das gleich lange Schwanzfedern hat und somit symmetrisch ist. Symmetrie wirkt auf viele Tiere gesünder und fitter. Sie zeigt, dass ein möglicher Partner starke, gute Gene hat. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Hirsch, dessen symmetrisches und großes Geweih einen sexuellen Selektionsvorteil bietet.

Doch sexuelle Selektion kann zur Gefahr für Populationen werden. In Rangkämpfen konnten sich Hirsche mit großen Geweihen gegenüber anderen Männchen durchsetzen. Ein großes Geweih interpretieren Rehweibchen deshalb als Anzeichen für gute Gene. Ist das Geweih aber zu groß, wird es für die Hirsche lebensbedrohlich.

Mit einem zu großen Geweih können sich Hirsche nicht mehr frei zwischen eng stehenden Bäumen bewegen. Das macht sie zu leichterem Fressen für Beutetiere. Auch die Nahrungssuche der Hirsche erschwert das Geweih stark. Zusätzlich kostet es beim Wachsen bereits viel Energie und Nahrung.

Der Riesenhirsch hat das größte Geweih jemals auf seinem Kopf getragen. Das Geweih war mit einer Spannweite von 3,5 Metern und 40 Kilogramm Gewicht zwar attraktiv, aber auch zu groß und zu schwer für die Tiere. Vor etwa 7700 Jahren starben sie aus.

Aber orientiert sich eine Hirschkuh bei der Partnerwahl nur an der Größe und Symmetrie des Geweihs?

Die Kluft zwischen Forschung und Realität

Finden Menschen symmetrische Körper und Gesichter attraktiv, weil sie gute Gene signalisieren?

Menschen sind von Natur aus fast symmetrisch. Besonders deutlich wir das mit Blick auf das menschliche Gesicht.  Die Augen haben in den meisten Fällen den gleichen Abstand von der Nase, die Ohren sitzen an beide Seiten ungefähr auf gleicher Höhe. Die Lippen könnte man einmal in der Mitte spiegeln, würde nicht unnatürlich aussehen.
Also zeigen uns symmetrische Körper eine Entwicklungsstabilität. Als Instabilitäten, also Fehler in der Entwicklung würden beispielsweise asymmetrische Körpermerkmale bezeichnet werden.
Stabilitäten lassen sich dadurch begründen, dass Symmetrie von Gesundheit und einem guten Immunsystem zeugt. Solche Merkmale erhöhen die Wahrscheinlichkeit gesunde Nachkommen zu zeugen und helfen bei der Partnerwahl „gute Gene“ von weniger guten abzugrenzen.
Im Umkehrschluss entwickeln zum Beispiel kranke, unterernährte oder von Parasiten geplagte Menschen Asymmetrien. Aus evolutionärer Perspektive können Asymmetrien ein Signal für scheinbar schlechtere Gene sein.

Finden wir Symmetrie attraktiv, weil sie oft die Durchschnittlichkeit widerspiegelt?
Mit Gesichtsmorphing-Softwares ist es möglich aus den Gesichtern vieler verschiedener Menschen ein Durchschnittsgesicht zu berechnen. Mit der Morphing-Software von Gesichtsforscherin Lisa DeBruine mischt es hier ein Durchschnittsgesicht aus etwa 15 Fotografien zusammen.

Das Vermischen der Gesichter merzt kleine Asymmetrien, wie ungleiche Augen oder Lippen, aus. Das Durchschnittsgesicht wird also symmetrischer.

Links abgebildet steht nun der berechnete Durchschnitt aus etwa 15 Frauengesichtern. Studien von Lisa DeBruine haben gezeigt: das künstliche Durchschnittsgesicht wirkt schöner als ein echtes Gesicht. Denn es entspricht mehr der evolutionären Norm und wirkt gesünder.

Doch ein Problem hat die Forschung zu Symmetrie und Gesichtern: Forschungsergebnisse variieren bei unterschiedlichen Forschungsmethoden.

Außerdem gibt es wie überall in der Wissenschaft den sogenannten „Publication bias“. Das bedeutet, dass Studien, die einen Zusammenhang zwischen Symmetrie und zum Beispiel Attraktivität finden veröffentlicht werden, aber Untersuchungen, die keinen Zusammenhang zeigen oft nicht veröffentlicht werden. Ebenfalls besteht bei evolutionären Forschungsansätzen immer
die Gefahr von Zirkelschlüssen, also dass es zwar plausible Begründungen gibt, diese aber nur schwer zu beweisen sind.

Lisa DeBruine

Allerdings achten Menschen nicht nur auf „gute Gene“ bei der Partnerwahl. Die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Lisa deBruine forscht an der Universität Glasgow außerdem zu Attraktivitätsmerkmalen.

Hängt die Symmetrie mit anderen Attraktivitätsmerkmalen zusammen?
Ein Attraktivitätsurteil wird unbewusst im Lust- und Belohnungszentrum des Körpers gefällt. Daher hat Symmetrie auch einen großen Einfluss auf das Attraktivitätsempfinden.
Das Schönheitsurteil jedoch ist umfassender und wird in zwei Bereichen des Gehirns, der Großhirnrinde und im orbitofrontalen Cortex, gefällt. Trotzdem hängen Attraktivität und Schönheit zusammen und der Mensch kann symmetrische Dinge auch schön und nicht nur attraktiv finden.

Welche Attraktivitätsmerkmale gibt es?

Drei Bereiche nehmen großen Einfluss auf ein Attraktivitätsurteil:
1) Alle Merkmale, die auf Jugendlichkeit hindeuten
2) Alles, was Gesundheit ausstrahlt
3) Alles, was geschlechtertypisch aussieht

Kleinere Einflüsse auf das Attraktivitätsurteil:
4) Symmetrie
5) Durchschnittlichkeit
6) Hautfarbe
7) Körpergeruch

Schlussendlich ist die Frage wie Symmetrie unser Schönheitsempfinden beeinflusst sehr komplex, da allein die Definition von Schönheit schwer und nur teilweise mithilfe der empirischen Ästhetik wissenschaftlich zu erfassen ist. Dennoch ist eins sicher: Symmetrie hat einen messbaren Einfluss: Vor allem auf Tiere und Pflanzen, aber auch auf das Schönheits- und Attraktivitätsempfinden des modernen Menschen. Dennoch sind wir in unsere Gesellschaft weit darüber hinaus nur das schön zu finden, was die Natur uns mitgegeben hat. Das ist eben auch, was die Schönheit von der Attraktivität unterscheidet, sie bleibt nicht bei der Reaktion auf elementare Reize stehen. So ist Symmetrie sicherlich ein Teilbereich von Schönheit, aber eben bei weitem nicht alles.


Luis Beyerbach
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Hanna Uhl
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