Es war einmal der Zeitgeist

Was heute zu den literarischen Kostbarkeiten in Bibliotheken gehört, war damals ein Gradmesser für den Puls des modernen Lebens. Ein Nachruf auf das alte Journal des Luxus und der Moden.
Von: 
Patrick Lerch

Die Schnürbrust: „Sie ist eine der wiedersinnigsten Erfindungen, ein Feind unsrer Gesundheit, unsers frohen Muthes und der glücklichen Fortpflanzung. Sie macht gröstentheils unsere armen Kinder zu Krüppeln, und uns Erwachsene zu lächerlichen hölzernen Puppen ohne Grazie und Reiz.“ Heutzutage wären diese Argumente gegen das Korsett kein großer Aufreger. Bedenkt man aber, dass diese Aussage 218 Jahre alt ist, so wirkt sie doch erstaunlich emanzipiert. Sie stammt von einer Leserin des „Journals des Luxus und der Moden“.

1786 erblickt das Journal in Weimar das Licht der Welt. Sein Vater heißt Friedrich Justin Bertuch und ist Verleger und Unternehmer. Er macht das Journal zu einem der erfolgreichsten journalistischen Projekte dieser Zeit – auch über Deutschlands Grenzen hinaus. Zusammen mit dem Künstler Georg Melchior Kraus bringt Bertuch monatlich 2000 Exemplare heraus und erreicht so rund 25 000 Leserinnen und auch Leser.

Mode in unserem heutigen Verständnis steht allerdings nur in den Anfangsjahren an erster Stelle. Mode im damaligen Verständnis bezieht sich nicht nur auf Kleidung, sondern meint auch allgemein was en vogue, also im Trend ist. So informiert das Journal nicht nur über englische oder Berliner Mode, sondern auch über die neueste Mode in der Musik, bei Blumen oder Kinderspielzeug. Darin wird im Januar 1793 auch die Urgroßmutter der Barbie vorgestellt: „Die weibliche Puppe ist ein neues Modespielzeug für junge Frauenzimmer, mit verschiedenen neuen Mode-Anzügen und Trachten.“

Sogar das politische Weltgeschehen spiegelt sich im Journal wider. Zu Zeiten der Französischen Revolution Ende August 1789 muss der Redakteur zugeben, „dass ich seit der Eroberung der Bastille, keine neue Frisur, keinen neuen Huth, kein neues Bonnet, und durchaus nichts neues bemerkt habe“.

Das Blatt war ohnehin nie als reines Frauen- oder Modeblattgedacht. Und so wird auch das Themenspektrum mit den Jahren immer umfassender: Es reicht von Luxus und Mode über Kunst, Theater und Literatur bis hin zu fremden Ländern und Körperpflege. Das Journal empfiehlt im Juni 1792 die „Kinder lau zu baden“ und „mit zunehmendem Alter und Kräften den Grad der Wärme immer zu vermindern“. Ein Glück, dass die Lebenserwartung damals nicht allzu hoch war.

Das Journal ist also durch die Vielfalt seines Inhalts ein kulturelles Spiegelbild der Zeit – einer bewegten Epoche europäischer Geschichte, die durch die Ideen der Spätaufklärung und der Französischen Revolution geprägt ist.

Die Mischung aus Information und Unterhaltung trägt ebenso zum Erfolg bei wie die farbigen Kupferstiche. Die Abbildungen der neuesten vornehmen Kleider und Einrichtungsgegenstände in Farbe machen das Journal des Luxus und der Moden zur ersten illustrierten Zeitschrift in Deutschland.