Der Promi in der Redaktion
- von Alexandra Rank
Achim Wilutzky ist stolz darauf, den Mann gekannt zu haben, der am 9. November 1989 den Mauerfall eingeleitet hat: Günter Schabowski. Nach der Wende waren sie Kollegen. Eine Notiz.
Es waren nur flüchtige Begegnungen. Aber Achim Wilutzky erzählt heute noch davon. In Herleshausen hat er die Wiedervereinigung hautnah erlebt. Jahre später denkt er nochmal ganz anders an den Tag des Mauerfalls zurück — auch, weil er Günter Schabowski kennengelernt hat. Den Mann, der die Wende im Fernsehen verkündet hat.
Rückblende: 9. November 1989, Pressekonferenz der SED in Berlin. Regierungssprecher Günter Schabowski verkündet, dass sich die Regierung dazu entschlossen habe, „eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen“. Auf die Nachfrage, ab wann dies gelte, muss Schabowski überlegen. Er schaut auf seinen handgeschriebenen Zettel, verhaspelt sich: „Das tritt nach meiner Kenntnis… ist das sofort, unverzüglich.“ Worte, die in die Geschichte eingegangen sind. Und am späten Abend den Fall der Mauer besiegeln.
Heute blickt Achim Wilutzky gerne auf die gemeinsame Zeit mit Günter Schabowski zurück. Ende der 1990er-Jahre war das. In Rotenburg an der Fulda. „Ein Glücksfall“, sagt Wilutzky, „zumal wir ja hier die Grenzöffnung hautnah mitbekommen haben. Und dann lernen wir den Mann kennen, der die Grenzöffnung mitverursacht hat.“ Wilutzky und Schabowski — beide waren Kollegen. Günter Schabowski arbeitete von 1992 bis 1999 für die „Heimat-Nachrichten“. Das belegt ein Nachruf, den das Anzeigenblatt Schabowski zu seinem Tode im Jahr 2015 gewidmet hat. Schabowski, früher Journalist im Dienste der SED, war hier erst Layouter, später Chefredakteur.
Achim Wilutzky ist stolz darauf, Schabowski in der Redaktion öfter begegnet zu sein. „Das Anzeigenblatt gehörte zu dem Haus, für das ich gearbeitet habe“, sagt Wilutzky. Über den prominenten Kollegen sagt er, dass sich Schabowski „im Gegensatz zu manch anderem der Verantwortung gestellt hat“. Und später verurteilt wurde. Verurteilt, 1997, stellvertretend wegen Totschlags an denen, die bei der Grenzflucht ums Leben gekommen sind. Günter Schabowski rechnete ab mit dem Unrechtsstaat, distanzierte sich von ihm, brachte 20 Jahre nach Mauerfall sogar seine Biographie „Wir haben fast alles falsch gemacht“ heraus. Darin Selbstkritik — schonungslos, offen. Von einem, der mal zur Spitze der SED gehörte.
Schabowski kehrte in den 90ern beruflich zurück, habe sich nicht zurückgezogen, sagt Wilutzky, stattdessen wieder als Journalist gearbeitet. Statt mit Anzug und Krawatte, wie er noch in DDR-Zeiten auftrat, kam Schabowski „ganz leger“ in die Redaktion. Und musste sich mit moderner Technik auseinandersetzen, mit der er bis dato gar nichts zu tun hatte, dem ersten Apple-Computer. „Er hat den Apple Macintosh ganz neu gelernt.“