Der Promi in der Redaktion

Achim Wilutz­ky ist stolz dar­auf, den Mann gekannt zu haben, der am 9. Novem­ber 1989 den Mau­er­fall ein­ge­lei­tet hat: Gün­ter Schab­ow­ski. Nach der Wen­de waren sie Kol­le­gen. Eine Notiz.


von Steffen Grütjen

Es waren nur flüch­ti­ge Begeg­nun­gen. Aber Achim Wilutz­ky erzählt heu­te noch davon. In Her­les­hau­sen hat er die Wie­der­ver­ei­ni­gung haut­nah erlebt. Jah­re spä­ter denkt er noch­mal ganz anders an den Tag des Mau­er­falls zurück — auch, weil er Gün­ter Schab­ow­ski ken­nen­ge­lernt hat. Den Mann, der die Wen­de im Fern­se­hen ver­kün­det hat. 

Rück­blen­de: 9. Novem­ber 1989, Pres­se­kon­fe­renz der SED in Ber­lin. Regie­rungs­spre­cher Gün­ter Schab­ow­ski ver­kün­det, dass sich die Regie­rung dazu ent­schlos­sen habe, „eine Rege­lung zu tref­fen, die es jedem Bür­ger der DDR mög­lich macht, über Grenz­über­gangs­punk­te der DDR aus­zu­rei­sen“. Auf die Nach­fra­ge, ab wann dies gel­te, muss Schab­ow­ski über­le­gen. Er schaut auf sei­nen hand­ge­schrie­be­nen Zet­tel, ver­has­pelt sich: „Das tritt nach mei­ner Kennt­nis… ist das sofort, unver­züg­lich.“ Wor­te, die in die Geschich­te ein­ge­gan­gen sind. Und am spä­ten Abend den Fall der Mau­er besiegeln. 

Der ehemalige SED-Mann Schabowski rechnet ab

Heu­te blickt Achim Wilutz­ky ger­ne auf die gemein­sa­me Zeit mit Gün­ter Schab­ow­ski zurück. Ende der 1990er-Jah­re war das. In Roten­burg an der Ful­da. „Ein Glücks­fall“, sagt Wilutz­ky, „zumal wir ja hier die Grenz­öff­nung haut­nah mit­be­kom­men haben. Und dann ler­nen wir den Mann ken­nen, der die Grenz­öff­nung mit­ver­ur­sacht hat.“ Wilutz­ky und Schab­ow­ski — bei­de waren Kol­le­gen. Gün­ter Schab­ow­ski arbei­te­te von 1992 bis 1999 für die „Hei­mat-Nach­rich­ten“. Das belegt ein Nach­ruf, den das Anzei­gen­blatt Schab­ow­ski zu sei­nem Tode im Jahr 2015 gewid­met hat. Schab­ow­ski, frü­her Jour­na­list im Diens­te der SED, war hier erst Lay­ou­ter, spä­ter Chefredakteur. 

Gün­ter Schab­ow­ski © Deut­sches His­to­ri­sches Museum

Achim Wilutz­ky ist stolz dar­auf, Schab­ow­ski in der Redak­ti­on öfter begeg­net zu sein. „Das Anzei­gen­blatt gehör­te zu dem Haus, für das ich gear­bei­tet habe“, sagt Wilutz­ky. Über den pro­mi­nen­ten Kol­le­gen sagt er, dass sich Schab­ow­ski „im Gegen­satz zu manch ande­rem der Ver­ant­wor­tung gestellt hat“. Und spä­ter ver­ur­teilt wur­de. Ver­ur­teilt, 1997, stell­ver­tre­tend wegen Tot­schlags an denen, die bei der Grenz­flucht ums Leben gekom­men sind. Gün­ter Schab­ow­ski rech­ne­te ab mit dem Unrechts­staat, distan­zier­te sich von ihm, brach­te 20 Jah­re nach Mau­er­fall sogar sei­ne Bio­gra­phie „Wir haben fast alles falsch gemacht“ her­aus. Dar­in Selbst­kri­tik — scho­nungs­los, offen. Von einem, der mal zur Spit­ze der SED gehörte. 

Schab­ow­ski kehr­te in den 90ern beruf­lich zurück, habe sich nicht zurück­ge­zo­gen, sagt Wilutz­ky, statt­des­sen wie­der als Jour­na­list gear­bei­tet. Statt mit Anzug und Kra­wat­te, wie er noch in DDR-Zei­ten auf­trat, kam Schab­ow­ski „ganz leger“ in die Redak­ti­on. Und muss­te sich mit moder­ner Tech­nik aus­ein­an­der­set­zen, mit der er bis dato gar nichts zu tun hat­te, dem ers­ten Apple-Com­pu­ter. „Er hat den Apple Mac­in­tosh ganz neu gelernt.“ 


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