Gegen die gesell­schaft­li­che Norm, gegen die Mei­nung ande­rer und viel­leicht sogar gegen die eige­nen Erwar­tun­gen: Nici, Fabi und Chris­ti­an füh­ren eine Bezie­hung zu dritt. Es war eine Ent­schei­dung für Lie­be und Zunei­gung – auch wenn die­se Wahl gleich­zei­tig Ein­schrän­kun­gen bedeu­tet. Die Geschich­te eines „Trär­chens“. 

Das Tele­fon klin­gelt. Nichts Unge­wöhn­li­ches auf der Geburts­sta­ti­on in einem katho­li­schen Kli­ni­kum in Köln. Unge­wöhn­lich ist aller­dings die Anfra­ge, die der jun­ge Mann am Tele­fon an die Sta­ti­ons­lei­tung rich­tet: „Kön­nen auch zwei Papas mit in den Kreiß­saal kom­men?“ Nein, das gehe nicht. „Dann kön­nen wir nicht kom­men“, sagt der Mann. Moment, man klä­re das noch­mal ab. In Ord­nung, es dürf­ten doch zwei Väter mitkommen. 

Die Kon­stel­la­ti­on wirft im Kran­ken­haus Fra­gen auf: Wer ist der zwei­te Vater? Die Affä­re? Oder sind die drei ein schwu­les Pär­chen mit ihrer Leih­mut­ter? Weit gefehlt: Fabi­an, Nico­le und Chris­ti­an sind ein poly­amou­rö­ses „Trär­chen“, wie sie sich selbst nen­nen. Das heißt, alle drei füh­ren eine roman­ti­sche Bezie­hung mit­ein­an­der. An die­sem Tag Ende 2019 stößt zu ihrer Bezie­hung noch ein vier­tes Mit­glied dazu. Doch bis Fabi­an, Nico­le und Chris­ti­an zu Eltern eines Soh­nes wer­den konn­ten, war es ein wei­ter Weg. 

v. l. n. r.: Fabi (30), Nici (34) und Chris­ti­an (32) füh­ren eine Bezie­hung zu dritt – seit Dezem­ber 2019 zu viert.

War­mes Licht erhellt die wei­ßen Wän­de, die bis auf zwei Gitar­ren leer sind. Es ist schon spät. Im sonst vol­len Ter­min­ka­len­der der drei war nur noch der Abend für eine Video­kon­fe­renz frei. Job, Kind und dazu noch vie­le Medi­en­auf­trit­te las­sen nicht mehr viel Frei­raum. Fabi­an stellt sich mit verstrub­bel­tem Haar und grau­em Kapu­zen­pul­li vor. Er möch­te Fabi genannt wer­den. Eigent­lich soll­ten auch Nici und Chris­ti­an hier sit­zen, doch der Soh­ne­mann will noch nicht schla­fen. Wäh­rend sei­ne bei­den Partner:innen ihr Bes­tes geben, den Klei­nen ins Bett zu krie­gen, erzählt Fabi ihre außer­ge­wöhn­li­che Geschich­te solan­ge allein. 

Fabi war jah­re­lang der bes­te Freund von Nici und auf jeder Par­ty mit dabei.

Das Kennenlernen 

Begon­nen hat alles mit einer selbst­ge­dreh­ten Ziga­ret­te: 2010 stu­die­ren Fabi und Nici an der­sel­ben Uni in Aschaf­fen­burg, sie Ver­triebs­in­ge­nieur­we­sen, er BWL. In der Rau­cher­ecke auf dem Cam­pus tref­fen sich die bei­den zufäl­lig und kom­men ins Gespräch. Nici bleibt die­ser „ganz coo­le, ver­bal­ler­te Typ“ direkt im Kopf. Doch nach einer wei­te­ren Rau­cher­pau­se lau­fen sie sich nicht mehr über den Weg. 

Erst über ein Jahr spä­ter trifft Fabi Nici ganz zufäl­lig auf der Fei­er eines gemein­sa­men Freun­des wie­der. Schick­sal? Viel­leicht. Direkt wie­der­erkannt, ver­brin­gen die bei­den den Abend mit­ein­an­der, fei­ern, tan­zen, quat­schen. Am Ende der Par­ty­nacht kürt Nici Fabi zu ihrem neu­en bes­ten Freund.

Was als ver­rück­te Idee in ange­trun­ke­ner Eupho­rie begon­nen hat, ent­wi­ckelt sich lang­sam zu einer tie­fen Freund­schaft – und mün­det vie­le Jah­re spä­ter in der ein­gangs vor­ge­stell­ten poly­amou­rö­sen Dreierbeziehung. 

Denn als Nici und Fabi sich wie­der tref­fen, ist Nici schon ver­ge­ben; einen Monat zuvor hat sie Chris­ti­an auf einem Musik­fes­ti­val ken­nen­ge­lernt. Die zwei ver­lie­ben sich und wer­den ein Paar. Schon ein Jahr spä­ter zie­hen sie zusam­men nach Köln und ver­lo­ben sich. 

Chris­ti­an und Nici haben zuein­an­der gefunden.
Mit Fabi sind Chris­ti­an und Nici komplett.

Von der Couch ins Doppelbett

Als Fabi sein Stu­di­um been­det hat, ent­schei­det er sich dafür, Nici und Chris­ti­an nach Köln hin­ter­her­zu­zie­hen. Zum einen wegen des Köl­ner Kar­ne­vals, den er mit den bei­den Freund:innen schon auf frü­he­ren Besu­chen „jedes Mal voll gefei­ert“ hat­te. Zum ande­ren wegen des damals für ihn all­zu ver­lo­cken­den Ange­bots von Nici und Chris­ti­an, ein­fach bei ihnen ein­zu­zie­hen – die Couch wäre noch frei: „Stell Dir vor, Du wohnst in einem klei­nen Kaff, bist mit Dei­nem Stu­di­um fer­tig und dann sagen Dir Dei­ne zwei bes­ten Freun­de, die in einer ech­ten Groß­stadt leben: ‚Bis du eine gute Bude, einen guten Job gefun­den hast, komm vor­bei, wir machen eine WG auf’ – läuft.“

Die so ent­stan­de­ne Drei­er-WG von Nici, Chris­ti­an und Fabi, die also nur vor­über­ge­hend gedacht war, ent­wi­ckelt sich bald zu etwas Fes­tem: „Wir haben nach einer gewis­sen Zeit gemerkt: Hey, irgend­wie will ich hier gar nicht aus­zie­hen; die wol­len auch nicht, dass ich aus­zie­he – wir woh­nen hier zu dritt so wei­ter.“ Und das hat sich bis heu­te, sechs Jah­re spä­ter, nicht mehr geändert.

Nici und Chris­ti­an füh­ren schon seit ihrem Ken­nen­ler­nen eine offe­ne Bezie­hung. Damit das gut geht, haben sie sich gleich zu Beginn fes­te Regeln gesetzt: Nie­mals zwei­mal mit einer Per­son tref­fen und Freund:innen oder Arbeitskolleg:innen sind tabu. Das Wich­tigs­te, damals wie heu­te: Ehrlichkeit.

Nici und Chris­ti­an geben sich das Ja-Wort am Strand in Polen.

Die Hochzeit

Fabi ver­steht sich von Anfang an super mit Chris­ti­an. Des­halb unter­stützt er ihn auch gern bei des­sen Hochzeitsvorbereitungen. 

Und da Chris­ti­an für Nici in ihrer zwei­ten Hei­mat Polen ein „bom­bas­ti­sches Fest im mari­ti­men Stil“ aus­rich­ten woll­te, muss­te dafür so eini­ges vor­be­rei­tet wer­den, erin­nert sich Fabi: „Den hal­ben Som­mer haben wir mit­ein­an­der ver­bracht, Deko aus­ge­schnit­ten und dabei Kung Fu-Fil­me geguckt. Das war echt viel Schnip­pel­ar­beit! Mit ganz viel Liebe!“

Mit ganz viel Lie­be brach­te sich Fabi im Sep­tem­ber 2015 dann auch auf der Hoch­zeit selbst ein: Im navy­blau­en Anzug mit wei­ßem Ein­steck­tuch, run­der Son­nen­bril­le und leicht gebeug­ten Knien steht er an der pol­ni­schen Rivie­ra, spielt E‑Bass – im Rücken die stil­le Ost­see, rechts vor ihm das getap­te Noten­pult und die Sän­ge­rin, eine gute Freundin.

Mit geschlos­se­nen Augen zupft sie die Sai­ten ihrer Gitar­re und singt dazu Kat­ie Melua: „The­re are nine mil­li­on bicy­cles in Bei­jing. That’s a fact. It’s a thing we can’t deny. Like the fact that I will love you till I die.“

Chris­ti­an und Nici lie­ben sich –
und das zei­gen sie gerne.

Mehr als „friends with benefits“

Vor der Hoch­zeit kom­men Nici Zwei­fel, ob ihre etwas ande­re Form der offe­nen Bezie­hung wirk­lich das ist, was sie will. Denn durch die stren­gen Regeln, die sie und Chris­ti­an am Anfang fest­ge­legt haben, gibt es für sie nie die Mög­lich­keit, jeman­den wirk­lich näher ken­nen­zu­ler­nen. Dabei ist es genau das, was Nici sich wünscht: zu einer wei­te­ren Per­son eine enge Bin­dung auf­zu­bau­en. Der Ein­zi­ge, mit dem sie sich so etwas neben Chris­ti­an noch vor­stel­len konn­te, war Fabi. – Eine Über­le­gung, die auch Chris­ti­an gefiel: „Weil er mich kann­te, er moch­te mich, und er muss­te sich kei­ne Sor­gen machen, mit wem sich die Nici sonst so trifft. Das war ziem­lich cool für ihn“, erklärt Fabi, dem die­se Art „Friends with benefits“-Beziehung auf Anhieb taugt. Hier hat er näm­lich das Bes­te aus bei­den Wel­ten: Einer­seits ist er Sin­gle und kann auf Dates gehen, ande­rer­seits hat er zuhau­se schon eine Bezie­hung mit sei­nen zwei bes­ten Freund:innen. Wobei Fabi und Chris­ti­an kei­ne sexu­el­le Bezie­hung zuein­an­der pfle­gen. Fabi bezeich­net es als „biro­man­tic“; sie lie­ben und schät­zen sich gegen­sei­tig auf einer rein roman­ti­schen Ebene. 

So geht das eine Wei­le – bis Chris­ti­an und Nici Angst bekom­men, Fabi könn­te sich in eine ande­re Frau ver­lie­ben, wel­che mit der unge­wöhn­li­chen Lebens­si­tua­ti­on der drei nicht zurecht­kom­men könn­te. Vie­le Gesprä­che, Tren­nungs­ver­su­che und Lie­bes­kum­mer spä­ter wird den drei­en jedoch klar: Sie gehö­ren zusam­men. Seit 2016 nun leben sie in die­ser Drei­er­be­zie­hung, die für Außen­ste­hen­de sehr ver­wir­rend sein kann: Wer sitzt beim Auto­fah­ren vorn, wer schläft im Hotel im Dop­pel­bett? Alles Fra­gen, die sich mono­ga­me Paa­re ver­mut­lich nie­mals stel­len. Das Trär­chen ent­schei­det prag­ma­tisch: Als Nici schwan­ger war, war ihr der Bei­fah­rer­platz sicher. Und im Urlaub schläft ger­ne mal jemand auf der Couch, eine will­kom­me­ne Abwechs­lung zum zu dritt geteil­ten Dop­pel­bett daheim. 

Poly­amo­rie – was heißt das eigentlich?

Poly­amo­rie kommt aus dem Latei­ni­schen. Es ist eine Zusam­men­set­zung des Adjek­tivs ‚poly’ – ‚vie­le’ mit dem Sub­stan­tiv ‚amor’ – ‚Lie­be’. Poly­amo­rie als Kom­po­si­tum heißt also nichts ande­res als ‚lie­be vie­le’. So tritt die Bezie­hungs­form der Poly­amo­rie in den unter­schied­lichs­ten Vari­an­ten auf: Als Tria­de (zwei Frau­en und ein Mann oder zwei Män­ner und eine Frau), als Pot (mehr als drei Betei­lig­te) oder auch in einer mono­gam-poly­ga­men Mix­form. Doch egal wel­che Vari­an­te, ehr­lich und offen zu sein, wird immer als essen­ti­ell wich­tig ange­se­hen. Die dafür erfor­der­li­che per­ma­nen­te Kom­mu­ni­ka­ti­on ist in der Regel eine gro­ße Stär­ke poly­amou­rö­ser Bezie­hun­gen, kann aber auch zur Belas­tung wer­den, weil sie sehr viel Zeit frisst.

Dr. med. Hei­ke Mel­zer, Psycho‑, Paar- und Sexu­althe­ra­peu­tin in München.

Das Geheim­nis von Fabis, Nicis und Chris­ti­ans Bezie­hung ist die Kom­mu­ni­ka­ti­on unter­ein­an­der. Sie füh­ren jeden Abend Gesprä­che zu dritt und resü­mie­ren den Tag. „Du sprichst die Kon­flik­te an, bevor da ein gro­ßer Ele­fant draus wird und explo­diert“, erklärt Fabi. Nur des­halb sei Eifer­sucht für ihn eigent­lich nie ein The­ma gewe­sen – er habe sich von Beginn an als fri­sches, aber vol­les Mit­glied in der bestehen­den Bezie­hung sei­ner bei­den Freund:innen gefühlt: „Chris­ti­an und Nici haben mich halt direkt inte­griert in ihre Bezie­hung. Wir haben sehr vie­le Sachen gemein­sam gemacht. Das heißt, man hat­te nie das Gefühl, dass irgend­wer zu kurz kommt oder benach­tei­ligt wird.“ 

Plötz­lich dreht Fabi sich zur Tür. „Guckt mal, wer da gekom­men ist!“, sagt er. Nici betritt das Zim­mer. Fabi macht sofort Platz, schenkt Nici Was­ser ein und setzt sich mit einem neu­en Stuhl neben sie. „Der Klei­ne lässt sich lei­der nicht ins Bett brin­gen. Des­halb muss­te Chris­ti­an jetzt auch noch drü­ben blei­ben“, ent­schul­digt Nici sich und ihren Part­ner. Mit einem Zwin­kern fügt Fabi dem hin­zu: „Chris­ti­an ist eben der typi­sche Infor­ma­ti­ker, er lässt lie­ber uns reden.“

Frü­her mach­te Nici oft die Erfah­rung, dass einer ihrer Jungs auf Par­tys ange­flir­tet wur­de; nie­mand rech­ne­te damit, dass sie mit bei­den zusam­men ist. Mitt­ler­wei­le klä­ren Fabi und Chris­ti­an die Situa­ti­on von vorn­her­ein auf. Wenn es doch mal zwickt, wird auch dar­über gespro­chen: „Chris­ti­an hat immer viel zu viel gezockt. Das war immer dann ein Pro­blem, wenn er Prü­fungs­pha­se hat­te, so typisch Pro­kras­ti­nie­ren“, erzählt Nici. Fabi bekommt die­sen Streit zu Beginn deren Paar­be­zie­hung mit und ver­sucht, als drit­te Per­son und somit neu­tra­le Instanz die Wogen zu glät­ten. Das, sagen Nici und Fabi, klap­pe nach wie vor ein­wand­frei: „Wir haben immer einen Schieds­rich­ter dabei.“

Das Outing

Inner­halb der Bezie­hung herrscht die meis­te Zeit Har­mo­nie. Ganz anders in ihrem pri­va­ten Umfeld: Durch ihr Outing ver­lor das Trär­chen eini­ge Freund:innen, die ihre Ent­schei­dung nicht respek­tie­ren konn­ten. Oft stand die per­sön­li­che Ableh­nung einer poly­amou­rö­sen Bezie­hung im Vor­der­grund und weni­ger die Gefüh­le von Nici, Fabi und Christian. 

Umso grö­ßer waren des­halb die Sor­gen vor den Reak­tio­nen ihrer Fami­li­en. 2019 muss eine Stra­te­gie her: Sie set­zen sich eine Dead­line, bis wann es pas­siert sein soll. Alle mög­li­chen Sze­na­ri­en wer­den durch­ge­spro­chen. Vom schlimms­ten bis zum bes­ten Fall und wie sie dar­auf reagie­ren woll­ten. Fabi erzählt es sei­ner Mut­ter qua­si beim Raus­ge­hen, als er zu einem Ter­min auf­bricht. Doch das Ver­hör, das er ver­sucht zu umge­hen, bleibt ohne­hin aus. Sei­ne Mut­ter ist anfangs zwar ver­wirrt, aber nicht son­der­lich über­rascht. „Sie hat schon gemerkt, dass ich Nici lie­be. Das hat sie irgend­wie gero­chen, Müt­ter krie­gen sowas mit“, scherzt er. 

Nach erfolg­rei­chem Outing sind Chris­ti­an, Nici und Fabi auch end­lich offi­zi­ell zu dritt.

Auch der zwei­te Mann im Trär­chen nimmt das Outing allein in die Hand. Wobei Chris­ti­ans Eltern in punc­to neue Bezie­hungs­for­men von Haus aus libe­ra­ler ein­ge­stellt waren: „Er hat gemeint, bei ihm war das so, als wür­de er ein­kau­fen gehen”, lacht Fabi. – Zu Nicis Eltern dann aber fährt das Trär­chen in vol­ler For­ma­ti­on. „Wir drei haben ein Bier­chen mit denen getrun­ken und haben gesagt: ‚Okay, wenn das Bier­chen halb leer ist, dann erzäh­len wir es ihnen.’ Dann haben wir echt lang­sam getrun­ken“, erin­nert sich Fabi und schmunzelt. 

Nicis Eltern ken­nen Fabi schon lan­ge als den bes­ten Freund; sie mögen ihn. Dem­entspre­chend ist es für sie ein­fa­cher, die Tat­sa­che zu akzep­tie­ren, dass Fabi auf ein­mal nicht mehr nur der bes­te Freund ist. Unge­wohnt ist es zu Beginn aber trotz­dem. Nicis Eltern haben Angst, dass jemand durch das zah­len­mä­ßi­ge Ungleich­ge­wicht des Trär­chens ver­letzt wer­den könn­te. „Ein gewis­ses Rest­ri­si­ko hast du immer, dass es am Ende doch nicht klappt“, sagt Fabi dazu. Letzt­end­lich ging das Outing für alle drei ohne grö­ße­re Pro­ble­me über die Büh­ne. „Alle Eltern von uns haben ein biss­chen gebraucht, um es zu ver­dau­en, weil es schon ein biss­chen Neu­land für sie war. Aber das kannst du ihnen nicht übel neh­men. Wir selbst haben Jah­re gebraucht, um uns so zu akzep­tie­ren“, erklärt Fabi. Das Ver­hält­nis heu­te zu allen Eltern­tei­len sei sehr gut. Fabi, Nici, Chris­ti­an und ihr Sohn bekom­men regel­mä­ßig Besuch in Köln. 

Das Trär­chen bekommt einen Sohn.

Aus drei wird vier

Als das Trär­chen beginnt, über Kin­der nach­zu­den­ken, merkt Fabi selbst, wie sehr er noch an gesell­schaft­li­che Nor­men gebun­den ist. Ganz nach dem Mot­to: Vor­stadt­häus­chen, Kom­bi, Frau und zwei Kin­der. „Der Kopf hat dann sofort gesagt: Fami­li­en­grün­dung zu dritt? Das geht doch nicht“, erin­nert er sich. „Aber wir wuss­ten ein­fach, dass wir irgend­wie zusam­men­ge­hö­ren. Und wir wuss­ten, wir kön­nen auch zu dritt eine Fami­lie grün­den“, erzählt Fabi. Es war eine bewuss­te Ent­schei­dung. Die drei haben viel mit­ein­an­der gespro­chen und sich eine kla­re Linie für die Kin­der­er­zie­hung über­legt – lan­ge bevor Nici über­haupt schwan­ger war. 

Dezem­ber 2019 kam ihr gemein­sa­mer Sohn schließ­lich zur Welt. Jetzt ist er 17 Mona­te alt. Den Namen des Kin­des möch­ten die drei nicht ver­ra­ten. Genau­so wenig, wer der bio­lo­gi­sche Vater ist. Fabi sagt: „Wir möch­ten eine kla­re Mes­sa­ge ver­brei­ten. Wir lie­ben unse­ren Sohn. Die Gene spie­len dabei ein­fach kei­ne Rolle.“ 

Geht das: zwei Väter auf der Geburtsurkunde?

Auf einer Geburts­ur­kun­de kön­nen in Deutsch­land nicht drei Eltern­tei­le ste­hen. Laut des Bür­ger­li­chen Gesetz­bu­ches (BGB) ist recht­lich gese­hen der­je­ni­ge der Vater, der zum Zeit­punkt der Geburt mit der Mut­ter des Kin­des ver­hei­ra­tet ist. Unab­hän­gig davon, ob er der Erzeu­ger des Kin­des ist. Eine Ehe zu dritt ist in Deutsch­land nicht mög­lich. Eine Mehr­fache­he kann zu Geld­stra­fe oder sogar bis zu drei Jah­ren Frei­heits­stra­fe führen.

Mut zu ande­ren Wegen

Eine Mes­sa­ge ver­brei­ten – das wol­len die drei auch auf Social Media. Auf Insta­gram und Tik­Tok klä­ren Fabi, Nici und Chris­ti­an über Poly­amo­rie auf. Die drei wol­len die Gesell­schaft für das The­ma sen­si­bi­li­sie­ren und Rol­len­bil­der auf­bre­chen. Mitt­ler­wei­le haben sie über 15.000 Follower:innen. „Wir bekom­men unglaub­lich viel Zuspruch und posi­ti­ve Nach­rich­ten“, erzählt Fabi. Sie machen ande­ren Men­schen Mut. Mut zur Ent­schei­dung und die­se auch zu leben. „Man­che Leu­te haben uns sogar geschrie­ben, dass sie sich nur wegen uns getraut haben, sich zu outen“, erzählt Nici. Eine Use­rin auf Tik­Tok schreibt: „Dan­ke, dass ihr Men­schen dar­an erin­nert, dass es uns erlaubt ist, ande­re Wege ein­zu­schla­gen, als uns vor­ge­lebt wird.“ 

Zwei Män­ner, eine Frau und ein Baby. Ganz klar: Das ist die Mut­ter, der Vater, das Kind und …? Als die vier am Vater­tag essen holen, gra­tu­liert die Kell­ne­rin mit den Wor­ten: „Alles Gute zum Vater­tag, wer auch immer dar­an betei­ligt war!“ Nici, Fabi und Chris­ti­an lachen über sol­che Situa­tio­nen. Was sie här­ter trifft, sind da schon man­che Hate-Kom­men­ta­re, die sie über ihre Social Media-Platt­for­men errei­chen: „Ekel­haf­te Ange­le­gen­heit“, „ich muss im Strahl kot­zen“ oder „ver­rück­ter und per­ver­ser geht’s nicht – armes Deutsch­land“ bekom­men die drei dort zu lesen. 

Nici ver­sucht, Hate-Kom­men­ta­re immer erst ein­mal posi­tiv anzu­neh­men. Oft fragt sie bei den Leu­ten nach, wie sie zu die­ser Mei­nung kom­men wür­den oder wie­so sie das so nega­tiv sehen. „Da haben sie dann meis­tens kei­ne Idee und hin­ter­fra­gen sich selbst“, meint Nici. Wor­auf Fabi ein­wirft: „Sie ist ger­ne die Hob­by­psy­cho­lo­gin unter uns.“

Wer ist der bio­lo­gi­sche Vater? Das spielt für Fabi und Chris­ti­an – anders als vie­le den­ken – über­haupt kei­ne Rolle. 

Manch­mal kom­me dann in den Kom­men­ta­ren aber auch irgend­et­was mit „Satan“ und „Ver­bren­nen“. „Aber denen kann ich dann auch nicht mehr hel­fen und ver­su­che es auch nicht“, sagt Nici. Fabi nickt: „Hoff­nungs­lo­se Fäl­le gibt’s immer.“

So locker kön­nen sie die Kom­men­ta­re aber nicht jeden Tag sehen. An man­chen Tagen kom­me ein­fach alles zusam­men. „Man denkt sich: War­um ist die­se Welt so böse?“, frägt Nici. Und vor allem fra­gen sie sich: Wie wird die­se Welt zu ihrem Sohn sein? Da gibt es dann schon Momen­te, in denen die drei über­le­gen, mit Social Media auf­zu­hö­ren. Aber Nici ist sich sicher, davon wür­de die Welt auch nicht bes­ser wer­den: „Das wäre kei­ne Ideo­lo­gie, die wir unse­rem Sohn bei­brin­gen wol­len. Er soll nicht den­ken, dass er falsch lebt.“

Fabi, Nici und Chris­ti­an machen Social Media für ihren Sohn. Die drei hof­fen, dass er so in einer Welt leben kann, in der nie­mand dafür ver­ur­teilt wird, drei Eltern­tei­le zu haben. Sie wol­len sicht­bar sein und Nor­men auf­bre­chen, ein Bild von ihrer Fami­lie zeich­nen. Eines, das Platz fin­det in den Köp­fen der Men­schen. Und vor allem eines, das nicht in Fra­ge stellt, wenn zwei Väter mit in den Kreiß­saal wollen. 

Fotos: pri­vat