Trig­ger­war­nung: In die­sem Bei­trag wird sexu­el­le Beläs­ti­gung the­ma­ti­siert. Wenn dich das The­ma belas­tet, schau dir die­sen Bei­trag bes­ser nicht an.

Unge­frag­te obs­zö­ne Ges­ten, Hin­ter­her­pfei­fen, Bedrän­gen – das und vie­les mehr ist Cat­cal­ling. Es sind eben nicht nur Wor­te, son­dern eine Form von sexu­el­ler Beläs­ti­gung in der Öffent­lich­keit. Doch nicht jeder erkennt das Pro­blem. Eine poli­ti­sche Lösung gibt es in Deutsch­land bis­her nicht.

Was ver­steht man unter Catcalling?

Du bist auf dem Weg zu dei­nen Freund:innen. Ihr wollt euch im Café tref­fen und mal wie­der quat­schen. du freust dich schon auf einem hei­ßen Kakao und dei­nen Lieb­lings­kä­se­ku­chen. Wie es wohl Caro…? – „Hey, Pup­pe! Gei­ler Arsch! Na, has­te Lust zu Ficken?!“ schreit dir ein Mann hin­ter­her. So kann Cat­cal­ling sein. Das ist sexu­el­le Beläs­ti­gung und ein gro­ßes Pro­blem in Deutschland.

Der Begriff „Cat­cal­ling“ ist ange­lehnt an das Pfei­fen und Locken einer Kat­ze oder eines Haus­tie­res und umfasst vie­le unter­schied­li­che Hand­lun­gen. Unter Cat­cal­ling fal­len zum Bei­spiel: Hin­ter­her­hu­pen, Anstar­ren, sexu­el­le Bemer­kun­gen, Anspie­lun­gen und Ange­bo­te und Beschimp­fun­gen, obs­zö­ne Wit­ze, Kom­men­ta­re über den Kör­per, sexu­el­le Beläs­ti­gung in Brie­fen oder im Inter­net sowie Ver­fol­gen. Ein Rechts­be­griff ist Cat­cal­ling aber nicht.

Was erle­ben Betroffene?

Cat­cal­ling erle­ben über­wie­gend Frau­en, aber auch Män­ner kön­nen betrof­fen sein. Teil­wei­se erzäh­len Frau­en, dass sie sol­che Situa­tio­nen schon mit 13 Jah­ren erlebt haben. Dabei ist es egal, was sie anha­ben, wenn sie unter­wegs sind. Es ist auch egal, ob sie zu Fuß oder auf dem Fahr­rad unter­wegs sind und wo. Denn Cat­cal­ling gibt es in grö­ße­ren Städ­ten und in Dör­fern. Das Alter der Täter:innen ist unter­schied­lich: Es sind nicht nur jun­ge Män­ner. Oft sind es auch Grup­pen von Män­nern aus denen sexu­ell auf­ge­la­de­ne Sprü­che kom­men. Passant:innen grei­fen meis­tens nicht ein.

Ein Pro­blem bei Cat­cal­ling ist, dass es schwer nach­weis­bar ist. Wenn es um sexu­el­le Sprü­che oder Geräu­sche geht, ist es in vie­len Fäl­len kaum mög­lich gegen den oder die Täter vor­zu­ge­hen. Cat­cal­ling als sol­ches ist bis­her in Deutsch­land nicht straf­bar. In vie­len Fäl­len wird Cat­cal­ling nicht ernst­ge­nom­men. Vie­le Täter:innen sehen in ihrem Ver­hal­ten kein Problem.

War­um machen Män­ner das?

Die Sozi­al­päd­ago­gin Mela­nie Schmalzl vom Frau­en­not­ruf Mün­chen sagt, dass Cat­cal­ling immer etwas mit ver­meint­li­cher Macht zu tun hat. Es gin­ge dar­um, Domi­nanz und Kon­trol­le zu zei­gen. Des­we­gen fin­det Cat­cal­ling ihrer Mei­nung nach nicht aus Ver­se­hen statt, son­dern ist geplant. Cat­cal­ling wür­de so zu einem Mit­tel, um Frau­en herabzuwürdigen.

Ganz ähn­lich sieht es auch Andre­as Schmie­del. Er ist aus­ge­bil­de­ter Sozi­al­päd­ago­ge und lei­tet das Münch­ner Infor­ma­ti­ons­zen­trum für Män­ner. Das ist ein gemein­nüt­zi­ger Ver­ein, der ein neu­es Selbst­ver­ständ­nis und Rol­len­be­wusst­sein von Män­nern för­dern möch­te. Schmie­del sagt, dass Män­ner, die in der Öffent­lich­keit cat­cal­len, vor allem eines zei­gen möch­ten: „Ich bin hier Chef im Ring“. Das heißt, es gin­ge vie­len Män­nern gar nicht um den eigent­li­chen Akt von Sexua­li­tät oder Part­ner­schaft, son­dern um Domi­nanz in der Öffent­lich­keit. Dazu passt auch, dass nicht jeder oder jede das Bewusst­sein für Cat­cal­ling hat. Wei­te Tei­le der Bevöl­ke­rung wüss­ten zwar inzwi­schen, dass Cat­cal­ling ein pro­ble­ma­ti­sches Ver­hal­ten ist, sagt Schmie­del. War­um es pro­ble­ma­tisch sei, wüss­ten vie­le aber noch nicht. Nur, dass das Ver­hal­ten nicht mehr erwünscht ist. Dabei gibt es aber auch Unter­schie­de je nach Bil­dungs­grad und je nach­dem, ob es im eige­nen Umfeld eine Aus­ein­an­der­set­zung mit dem The­ma gibt.

Wie könn­te ich als Passant:in helfen?

Cat­cal­ling fin­det meis­tens im öffent­li­chen Raum statt. Des­we­gen gibt es in vie­len Situa­tio­nen auch Passant:innen, die das Cat­cal­ling mit­be­kom­men. Opfer von Cat­cal­ling erzäh­len aber, dass Zeug:innen meis­tens nicht ein­grei­fen. Hier geben Expert:innen Tipps, wie du bei Cat­cal­ling hel­fen könntest.

Wie wirkt sich Cat­cal­ling auf die Psy­che aus?

Cat­cal­ling macht etwas mit der Psy­che der betrof­fe­nen Per­son: Wer häu­fig objek­ti­fi­ziert wird, fängt oft selbst an, sei­nen Kör­per und sein Aus­se­hen zu über­wa­chen. Das kann bis zu Depres­sio­nen und Ess­stö­run­gen füh­ren. Vie­le Betrof­fe­ne mei­den auch Orte, an denen sie sich unsi­cher füh­len und ändern ihre gewohn­ten Rou­ti­nen. Jede:r geht aber anders damit um. Wie sich Cat­cal­ling auf die betrof­fe­ne Per­son aus­wirkt, hän­ge davon ab, wie alt sie ist, ob sie sich gene­rell sicher fühlt und schon ein­mal Cat­cal­ling erlebt hat, sagt Psy­cho­lo­gin und The­ra­peu­tin Chris­tia­ne Sautter.

Mela­nie Schmalzl vom Frau­en­not­ruf Mün­chen hat den Ein­druck, dass inzwi­schen auch vie­le Frau­en „das über sich erge­hen las­sen, weil es so eine Art gesell­schaft­li­che Norm gibt“. Vie­le Frau­en wür­den sich auch selbst Vor­wür­fe machen: „Ich hat­te ja auch sexy Klei­dung an… Habe ich viel­leicht irgend­wie Signa­le gesen­det?“ Mela­nie Schmalzl stellt aber klar, dass die Schuld immer beim Täter liegt.

Wel­ches Aus­maß hat Catcalling?

Über die Ver­brei­tung von Cat­cal­ling gibt es bis­her nur weni­ge Stu­di­en, die sich expli­zit auf Cat­cal­ling bezie­hen. Eine grö­ße­re Stu­die zu die­sem The­ma hat das Kri­mi­no­lo­gi­sche For­schungs­amt Nie­der­sach­sen (KFN) im Jahr 2021 erstellt. Im Rah­men einer Online­be­fra­gung zum The­ma „Sexu­el­le Beläs­ti­gung als All­tags­er­fah­rung“ nah­men fast 4.000 Per­so­nen teil. Sie waren im Schnitt etwa 30 Jah­re alt – und gut 90 Pro­zent der Befrag­ten waren schon von Cat­cal­ling betrof­fen. Mehr als die Hälf­te von ihnen erleb­te Belei­di­gun­gen auf­grund des Geschlechts. Mehr als 42 Pro­zent sind schon sexis­tisch beschimpft worden.

Gibt es Cat­cal­ling gegen­über Männern?

Cat­cal­ling rich­tet sich meist gegen Frau­en, aber auch Män­ner kön­nen Opfer von Cat­cal­ling wer­den. Aber sel­te­ner, denn bei Cat­cal­ling beläs­tigt die domi­nan­te­re Sei­te die weni­ger domi­nan­te Sei­te, sagt Sozi­al­päd­ago­ge Andre­as Schmie­del. Also meis­tens die Män­ner die Frau­en. Es gehe aber auch anders her­um: Bei Jun­ge­sel­lin­nen­ab­schie­den, oder wenn bestimm­te Frau­en­cli­quen im Club sind, erzählt Andre­as Schmiedel.

„Chalk Back“-Bewegung: Mit Krei­de gegen Catcalling

Im Jahr 2016 haben Aktivist:innen aus den USA den Insta­gram-Account „Cat­call­sof­ne­wyork“ gegrün­det. Die Idee dahin­ter war, dass Betrof­fe­ne von Cat­cal­ling per Direkt­nach­richt ihre Erleb­nis­se wei­ter­ge­ben kön­nen. An der Idee von „Cat­call­sof­ne­wyork“ ori­en­tie­ren sich inzwi­schen Aktivist:innen aus der gan­zen Welt. Auch in Deutsch­land gibt es Accounts, zum Bei­spiel in Mainz, Augs­burg und Nürnberg.

Die Helfer:innen schrei­ben die Sprü­che und Erleb­nis­se mit Stra­ßen­krei­de genau dort auf die Stra­ße, wo sie pas­siert sind. Danach foto­gra­fie­ren sie ihre Zei­len auf der Stra­ße und pos­ten die Fotos. Die Absicht dahin­ter erklärt Cla­ra von Cat­call­sof­mainz so: „Wir wol­len die Platt­form sein, damit die Betrof­fe­nen sich selbst weh­ren kön­nen, aber es eben nicht selbst tun müssen.“

Dafür neh­men sie alle Ein­sen­dun­gen ernst. Das sind nicht weni­ge: Leo­nie von „Cat­call­sof­nuern­berg“ erzählt, dass sich allein dort in den ver­gan­ge­nen Jah­ren jeweils über 140 Betrof­fe­ne gemel­det haben. Die Gren­ze zie­hen die Aktivist:innen aber bei Seel­sor­ge­ar­beit. „Wir kön­nen nicht Seel­sor­ge­ar­beit leis­ten für jeman­den, der Ver­ge­wal­ti­gung oder Gewalt erfah­ren hat“, sagt Cla­ra von Cat­call­sof­mainz. In sol­chen Fäl­len ver­wei­sen sie auf Hilfs­an­ge­bo­te, wie den Frau­en­not­ruf, mit dem sie in Mainz kooperieren.

Wie Passant:innen auf die Ankrei­dun­gen reagie­ren ist jedoch unter­schied­lich. Eine Senio­rin ist begeis­tert und schreibt in einer E‑Mail, sie hät­te die letz­ten 60 Jah­re gedacht, sie müss­te sich das gefal­len las­sen. Aber es kommt auch vor, dass sich Passant:innen abfäl­lig äußern oder die Ankrei­dun­gen ent­fer­nen. Des­we­gen gehen die Aktivist:innen nor­ma­ler­wei­se nicht allei­ne zum Ankrei­den. Das ist aber nicht immer mög­lich, weil für die Men­ge an Aktio­nen oft auch die Leu­te fehlen.

Leo­nie ist seit 2019 bei „Cat­call­sof­nürn­berg“ dabei. Im Inter­view erzählt sie uns warum.

„Mir war das dann wich­tig, dass ande­re Leu­te denen das pas­siert, eine Stim­me bekommen.“ 

Leo­nie, Akti­vis­tin bei Catcallsofnürnberg

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„Ich bin aber direkt zum The­ma gekom­men, weil es mir selbst öfter pas­siert ist. Und ich hat­te auch eine Akti­on, die rela­tiv stark in der Dis­kus­si­on stand auf dem Account.“ Mir war das dann so wich­tig, dass dass man dafür eine Stim­me bekommt. Das hat­te ich selbst erwar­tet und nicht bekom­men und das war dann der per­fek­te Anlass zu sagen, hey ok. Dann möch­te ich das ande­ren Betrof­fe­nen zumin­dest geben können.“ 

Geset­zes­lü­cke bei Cat­cal­ling in Deutschland

In Deutsch­land gibt es bis­her kein Gesetz, das Cat­cal­ling unter Stra­fe stellt. Straf­bar wird Cat­cal­ling nur dann, wenn es noch ande­re Tat­be­stän­de erfüllt. Äuße­run­gen, in der eine Per­son zu einem Sexu­al­ob­jekt her­ab­ge­wür­digt wird, kön­nen als Belei­di­gung ange­zeigt wer­den. Auch men­schen­ver­ach­ten­de Beweg­grün­de bei einer Tat sind straf­bar, wie expli­zit ein Geschlecht zu beleidigen. 

Kommt es zu einer Ehr­ver­let­zung, ist das ein Ein­griff in das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht. Seit 2016 ist in Deutsch­land die sexu­el­le Beläs­ti­gung straf­bar: Dafür muss aber eine kör­per­li­che Berüh­rung statt­ge­fun­den haben. Die gibt es aber bei Cat­cal­ling nor­ma­ler­wei­se nicht. Wenn Cat­cal­ling unter kei­nen der ande­ren Tat­be­stän­de fällt, kann es bis­her nicht straf­recht­lich ver­folgt wer­den. Es gibt in Deutsch­land also eine Gesetzeslücke.

Ande­re Län­der haben das Pro­blem erkannt und Cat­cal­ling in ihrer Rechts­spre­chung ver­an­kert. Die­se Lösun­gen prä­sen­tie­ren eini­ge ande­re Län­der aus der EU:

Belgien

In Bel­gi­en gibt es seit 2014 ein Anti-Sexis­­mus-Gesetz. Dafür muss die Äuße­rung in der Öffent­lich­keit oder im Inter­net gesche­hen und gegen eine Per­son gerich­tet sein, mit der Absicht, sie stark zu ver­let­zen. Bestraft wird die Tat mit einem Buß­geld von 1.000 Euro oder einem Jahr Haft. Das Gesetz durch­zu­set­zen ist jedoch schwie­rig, weil die Opfer meist die Namen der Täter:innen nicht ken­nen und sie daher nicht recht­lich ver­folgt wer­den können. 

Portugal

In Por­tu­gal ist ver­ba­le sexu­el­le Beläs­ti­gung straf­bar. Täter:innen zah­len dann eine Geld­stra­fe von bis zu 120 Tages­sät­zen oder müs­sen für bis zu einem Jahr ins Gefäng­nis. Wenn die Opfer jün­ger als 14 Jah­re sind, kön­nen es sogar bis zu 3 Jah­re wer­den. Trotz­dem ist das Gesetz schwer durch­zu­set­zen. Opfer müs­sen näm­lich im Nach­hin­ein bewei­sen, dass sie beläs­tigt wur­den und dass es eine sexu­el­le Äuße­rung war. Dazu kommt, dass vie­le Men­schen gar nicht von dem Gesetz gehört haben und oder dar­über spot­ten. Denn das Gesetz gilt in der Öffent­lich­keit als Ver­bot des in Por­tu­gal übli­chen Flirtens.

Frankreich

In Frank­reich gibt es seit 2018 ein neu­es Gesetz gegen sexu­el­le und sexis­ti­sche Gewalt. Seit­dem kön­nen sexu­el­le Ver­bre­chen gegen Min­der­jäh­ri­ge auch noch nach 30 Jah­ren ange­zeigt wer­den – zuvor waren es 20 Jah­re. Außer­dem gibt es den neu­en Tat­be­stand zu sexu­el­ler Beläs­ti­gung. Die­se kann im öffent­li­chen Raum mit bis zu 1.500 Euro bestraft wer­den. Bei Wie­der­ho­lungs­ta­ten sogar mit bis zu 3.000 Euro. Die Täter:innen kön­nen auch zu Anti-Sexis­­mus-Pro­­gram­­men ver­pflich­tet wer­den. Eine wei­te­re Neue­rung: Eine neue Poli­zei­ein­heit soll sexu­el­le Beläs­ti­gung auf der Stra­ße direkt auf­de­cken und ver­fol­gen. Aller­dings kön­nen so trotz­dem nur Taten belangt wer­den, die die Poli­zei selbst beob­ach­tet, denn ein Straf­tat­be­stand ist sexu­el­le „Beläs­ti­gung auf der Stra­ße“ in Frank­reich nicht. Das heißt: Selbst Anzei­ge erstat­ten kön­nen Opfer trotz­dem nicht.

Spanien

In Spa­ni­en gilt seit die­sem Früh­jahr das „Nur-Ja-heißt-Ja-Gesetz“. Damit müs­sen alle Betei­lig­ten einer sexu­el­len Hand­lung aus­drück­lich zustim­men. Das heißt: Sexu­el­le Über­grif­fe wer­den nun als Ver­ge­wal­ti­gung betrach­tet. Kom­men­ta­re oder Ver­hal­tens­wei­sen von sexu­el­ler Natur, sind ver­bo­ten – und damit auch Cat­cal­ling. Bei Ver­stö­ßen müs­sen Täter:innen eine Geld­stra­fe zah­len, gemein­nüt­zi­ge Arbei­ten ver­rich­ten oder bekom­men bis zu einem Monat in den Haus­ar­rest. Die spa­ni­sche Regie­rung reagiert damit auf meh­re­re Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen. Beson­ders ein Fall im Juli 2016 hat­te lan­des­weit für Pro­tes­te gesorgt: Eine Grup­pe von Män­nern hat­te eine jun­ge Frau mehr­fach ver­ge­wal­tigt und gefilmt. Für das zustän­di­ge Gericht erfüll­te das aber nicht den Tat­be­stand der Ver­ge­wal­ti­gung, da es weder Schlä­ge noch Dro­hun­gen gab und das Opfer pas­siv blieb.

Was tun gegen Catcalling?

Die Stu­den­tin Anto­nia Quell hat im Jahr 2020 eine Peti­ti­on gestar­tet. Sie heißt „Es ist 2020. Cat­cal­ling soll­te straf­bar sein.“ Knapp 70.000 Per­so­nen haben sie unter­schrie­ben. Anto­nia Quell möch­te damit auf den nach­läs­si­gen Umgang mit ver­ba­ler sexu­el­ler Beläs­ti­gung hin­wei­sen und errei­chen, dass Cat­cal­ling straf­bar wird.

Da sie ihre Peti­ti­on nicht auf der Sei­te des Bun­des­ta­ges gestar­tet hat, ist sie nicht recht­lich bin­dend. Für ver­geb­lich hält sie ihre Peti­ti­on aber nicht: Im Inter­view sagt sie, dass sie mit der Peti­ti­on auch das Bewusst­sein für das The­ma Cat­cal­ling schär­fen woll­te. Sie sieht gute Chan­cen, aber rech­net damit, dass die Umset­zung dau­ern kann.

Frau­en, die Cat­cal­ling, ver­ba­le oder sexu­el­le Gewalt erle­ben, kön­nen sich pro­fes­sio­nel­le Hil­fe holen. Zahl­rei­che Hil­fe­te­le­fo­ne bie­ten das kos­ten­los an. Eines davon ist der Frau­en­not­ruf Mün­chen. Dahin­ter steckt ein gemein­nüt­zi­ger Ver­ein, der sich über Spen­den finan­ziert. Mela­nie Schmalzl berät dort Betroffene. 

„Ganz klar: Der Täter trägt die Verantwortung.“ 

Mela­nie Schmalzl, Frau­en­not­ruf München

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„Ganz klar: Der Täter trägt die Ver­ant­wor­tung, nie­mals die Betrof­fe­nen. Sie haben in kei­ner Art und Wei­se irgend­ei­ne Mit­schuld oder Mit­ver­ant­wor­tung – Das muss klar sein! Und das muss auch in der Gesell­schaft ganz klar so ange­nom­men sein und auch ver­brei­tet werden.“ 

Wie kann man Cat­cal­ling über die Erzie­hung lösen?

Aber Cat­cal­ling nur über Stra­fen zu bekämp­fen, reicht nicht aus. Des­we­gen emp­fiehlt Sozi­al­päd­ago­ge Andre­as Schmie­del das gesell­schaft­li­che Pro­blem auch über die Erzie­hung zu lösen. Das sei dann mög­lich, wenn die Erzie­hung von Kin­dern von Anfang an Gleich­be­rech­ti­gung auf vie­len Ebe­nen ver­mitt­le. Also nicht-ras­sis­ti­sche Erzie­hung und gleich­be­rech­tig­te eman­zi­pa­to­ri­sche Erziehung.

Dabei geht es für ihn auch um Empa­thie: Wie geht es der ande­ren Per­son, wenn ich mich ent­spre­chend ver­hal­te? Dabei muss für ihn klar zum Aus­druck kom­men: Män­ner und Frau­en haben die glei­chen Rech­te. Das heißt aber nicht, dass Män­ner kei­ne Frau­en mehr anspre­chen dür­fen, son­dern, dass sich bei­de auch beim Flir­ten mit Respekt begeg­nen sollten.

Wie ste­hen die Par­tei­en zu Catcalling?

Bündnis90/Die Grü­nen the­ma­ti­sie­ren Cat­cal­ling in ihrem Wahl­pro­gramm zur Bun­des­tags­wahl 2021 expli­zit. Dort heißt es: „Ver­ba­le sexu­el­le Beläs­ti­gung im öffent­li­chen Raum wol­len wir nicht hin­neh­men und wer­den auch geeig­ne­te Ord­nungs­maß­nah­men prü­fen.“ Die Par­tei möch­te einen Bewusst­seins­wan­del in der Gesell­schaft und sieht es als letz­tes Mit­tel, dass Cat­cal­ling straf­bar wird.

Noch nicht so kon­kret sehen die Posi­tio­nen von SPD und FDP aus. Tei­le der SPD haben dazu 2021 einen Antrag gestellt, dass das The­ma auf dem Bun­des­par­tei­tag 2023 bespro­chen wer­den soll. Ihre For­de­rung: Eine Straf- oder Buß­geld­norm, die Cat­cal­ling unter Stra­fe stellt und eine umfas­sen­de Auf­klä­rungs­kam­pa­gne. Die FDP hat zum The­ma Cat­cal­ling aktu­ell kei­ne Beschluss­la­ge und sieht ein Pro­blem dar­in, den Tat­be­stand abzugrenzen.

Bei der CDU/CSU und bei der Lin­ken haben wir kei­ne fina­le Ant­wort erhal­ten. Wir grei­fen hier des­we­gen zwei Zita­te von Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten her­aus: Rein­hard Brandl (CSU) schreibt, dass es mit­hil­fe einer Form der Kri­mi­nal­sta­tis­tik mehr Trans­pa­renz und Doku­men­ta­ti­on bei frau­en­feind­li­che Straf­ta­ten geben soll. Cor­ne­lia Möh­ring (Die Lin­ke) schreibt, dass sie der Straf­rechts­ver­schär­fung kri­tisch gegen­über­ste­he und es Zwei­fel am Mit­tel gebe.

Die AfD hat gar nicht auf unse­re Anfra­ge reagiert. Tei­le der Par­tei schei­nen Cat­cal­ling auch nicht als Pro­blem auf­zu­fas­sen. So schreibt der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Tho­mas Seitz unter der Peti­ti­on von Anto­nia Quell: „Jun­ge Män­ner müs­sen die Kon­takt­an­bah­nung mit jun­gen Frau­en erst erlernen.“ 

Was braucht es, um Cat­cal­ling straf­bar zu machen?

Der Deut­sche Juris­tin­nen­bund hat meh­re­re For­de­run­gen, damit Cat­cal­ling straf­bar wird: Ver­ba­le sexu­el­le Beläs­ti­gun­gen soll künf­tig auch als Belei­di­gun­gen auf­ge­fasst wer­den. Auch geschlechts­spe­zi­fi­sche Beweg­grün­de sol­len expli­zit ergänzt wer­den. Der Deut­sche Juris­tin­nen­bund möch­te einen eige­nen Straf­tat­be­stand oder eine Ord­nungs­wid­rig­keit für „unzu­mut­bar auf­ge­dräng­te Sexualität“.


Lea Brug­ger
Lay­out­re­dak­ti­on

Simon Mühl­ba­cher
Text­re­dak­ti­on

Sarah Schrei­er
Lay­out­re­dak­ti­on