Dampfend steigt der weiße, kalte Rauch in dichten Nebelschwaden über der Schüssel auf. Es zischt, als Angelo Zicaro noch mehr flüssigen Stickstoff eingießt. Mit einem Plopp lässt er ein Häufchen Kokosschaum in die Schüssel gleiten. In Sekundenschnelle erstarrt die cremige Masse – schockgefroren bei minus 196 Grad Celsius. Danach zerhackt er sie in kleine weiße Flocken mit knuspriger Hülle und flüssigem Kern.
„Wir schaffen komplett neue Materie“, erklärt Zicaro, der in München eine italienisch-mediterrane Kochschule betreibt. Seit vier Jahren beschäftigt er sich auch mit der Molekularküche und gibt regelmäßig Kurse. Denn nicht nur die Spitzengastronomie, sondern auch immer mehr Hobbyköche interessieren sich mittlerweile für das Kochen mit dem Chemiebaukasten.
Statt nach Rezept kocht man hier nach Periodensystem. Neben Salz und Pfeffer stehen auch Natriumalginat oder Calciumchlorid in der Küche. Und der Molekularkoch greift anstelle des Kochlöffels auch schon mal zum Spritzbesteck.
Ziel des Ganzen ist es, mit Hilfe physikalischer Prozesse und chemischer Zusatzstoffe die Konsistenz von Lebensmitteln so zu verändern, dass sie hinterher an Form, Farbe oder Geschmack kaum mehr wiederzuerkennen sind. So wird scheinbar wie durch Zauberhand aus Gemüsepüree ein Gemüsegelee, Olivenöl zum Lutscher oder Camembert zu Schaum.
„Es ist spektakulär und ungewöhnlich“, beschreibt Angelo Zicaro sein neues Handwerk und steckt ein Stück luftdicht verschweißtes Fleisch in die Spülmaschine. Dort gart es nun bei maximal sechzig Grad langsam vor sich hin. Die Molekularköche schwören auf diese Niedergarmethode und versprechen sich davon einen besonders zarten und saftigen Geschmack. Die Molekularküche experimentiert also nicht nur mit der Textur, das heißt dem besonderen Mundgefühl von Fisch, Fleisch, Gemüse und Obst, sondern testet auch aus, wie die Lebensmittel auf unterschiedliche Temperaturen reagieren.
Der chemische Küchenzauber hat allerdings auch seinen Preis: So kostet ein fünfstündiger Molekularkochkurs bei Angelo Zicaro 99 Euro, professionelle Startersets sind in Onlineshops ab fünfzig Euro aufwärts zu haben. Ein Mehrgänge-Molekularmenü in einem Restaurant wie dem Amador in Langen überschreitet die Hundert-Euro-Marke.