Traum naht

Jogginghosen, T-Shirts und ein alter Schlafanzug sind der Grundstoff für Simone Grabers Luxusbaba-Kollektionen.

Ihre Kleidungsstücke erzählen Geschichten. Geschichten von großgeblümter Bettwäsche aus den Siebzigerjahren. Geschichten von Blusen mit Fledermausärmeln und Schulterpolstern aus den Achtzigern, die niemand mehr trägt. Geschichten von Vorhängen, die so gewebt sind, wie man es heute kaum noch findet. Simone Graber bewahrt Mode vergangener Jahre vor dem Schredder, indem sie neue Mode daraus macht. Ein Stück Rock näht sie neben ein kuscheliges Stück Pullover. Die Knopfleiste eines Herrenhemdes kommt dazu, und der Kragen war früher einmal ein bunt bedruckter Kopfkissenbezug.

Das Ergebnis lebt von farbigen Kontrasten und dem ungewöhnlichen Schnitt. Jedes Teil ist ein Unikat. Luxusbaba heißt das Modelabel, das seit 2004 in München produziert. Simone Graber und Jasmina Frank haben sich mit ihrer Idee von der Recycling-Mode selbstständig gemacht. Simone entwirft die Kollektionen, Yasmina vermarktet Luxusbaba und sorgt dafür, dass die Marke mittlerweile in fast allen Öko-Shops der Stadt hängt. Zum einen will Luxusbaba ein Zeichen gegen die Schnelllebigkeit in der Modebranche setzen. „Zum anderen ist es für mich ein wichtiger Punkt, Dinge zu bewahren. Dass ich aus Stoffen, die eigentlich Müll sind, wieder etwas Tragbares machen kann“, sagt Simone.

Die Stoffe sucht Simone selbst aus: in Altkleidersammlungen und Second-Hand-Läden. Sie wäscht jedes einzelne Teil, das sie findet, und sortiert dann alles der Farbe nach in das Wandregal in ihrem kleinen Atelier in einem alten Münchner Wohnhaus. „Es geht um die Geschichten, mit denen die Sachen aufgeladen sind. Dass man das wertschätzt, auch wenn man die Geschichte nicht kennt“, sagt Simone und erzählt, dass es ihr auf Messen manchmal passiert, dass jemand direkt auf ein Luxusbaba-Teil zusteuert und sagt: „Boah, diese Bettwäsche hatte ich als Kind.“ Dann hat das Kleidungsstück oft schon seinen Träger gefunden. Immer wieder erzählen ihre Kunden, dass sie auf der Straße oder beim Ausgehen auf ihre Kleidung angesprochen werden. „Das ist immer eine wahnsinnige Bestätigung für mich“, sagt Simone. Denn es ist nicht leicht, sich vom Massenkonsum in der Modebranche abzusetzen. Das Recycling-Label ist genauso von den aktuellen Strömungen der Mode abhängig wie jedes andere Label. Trotzdem will Luxusbaba bewusst einen Unterschied machen. „Ich hoffe, dass die Teile, die ich mache, Lieblingsstücke sind, die man über eine gewisse Zeit trägt, weil sie einfach sehr individuell sind.“

Und jedes Mal, wenn Simone ein Kleidungsstück fertigstellt, wird ihr doch etwas wehmütig ums Herz. Dann sitzt sie an ihrer weißen Nähmaschine und setzt die letzten Nähte. Sie schneidet die Fäden ab, dreht das Kleidungsstück auf rechts und schaut es sich an. „Da ist so viel von mir drin, dass es mir teilweise schwer fällt, das Teil herzugeben.“ Ein Stück ihrer eigenen Geschichte steckt zwischen den Nähten und vielen anderen Geschichten.