Luxus im Wandel der Zeit

Klaus Heine über trickreiche Franzosen, die Macht der Werbung und die Persönlichkeit einer Handtasche.

Vor nicht allzu langer Zeit war der Besitz eines Handys noch wahrer Luxus. Heute findet man es praktisch in jeder Jackentasche. Wie schnell wandeln sich denn die Vorstellungen von Luxus?

Das Konzept von Luxus ist relativ gleich geblieben, nämlich die Definition, dass alles Luxus ist, was mehr als notwendig und gewöhnlich ist. Diese Definition ist so ungefähr seit über Hundert Jahren in Lexika zu finden. Die Dinge, die darunter fallen, verändern sich allerdings mit der Zeit.

So war vor zehn oder fünfzehn Jahren ein Handy noch ein Luxusgut, heute hat fast jeder eins. Mit dem massenhaften Verkauf entwickelte sich eine immer größere Bandbreite von ganz einfachen zu immer exklusiveren Modellen. Heute zählt man Handys also nicht mehr zu den Luxusgütern, aber innerhalb der Produktkategorie hat sich ein Luxussegment entwickelt. Ein Beispiel: Heutzutage gelten Klimaanlagen nach wie vor als Luxusgüter, ein Fernseher hingegen nicht mehr. Innerhalb der Kategorie Fernseher jedoch gibt es weiterhin Luxusprodukte, zum Beispiel Fernsehgeräte von Loewe.

Über die Zeit verändern sich also eher die Erscheinungsformen von Luxus, aber natürlich auch die Einstellung dazu. Vor Beginn der Industrialisierung hatte Luxus noch ein negatives Image und der Drang nach Luxus galt als Ursache für Ausbeutung und Elend. Später verschoben sich diese Ansichten zu einem zunehmend positiveren Luxusverständnis. Das wurde damit begründet, dass Luxuskonsum auch Arbeitsplätze schafft und zur Leistungsmotivation beiträgt und dadurch auch gesellschaftlichen Nutzen stiftet.

 
Gibt es im Luxus auch Trends oder Wellen, die sich wiederholen, ähnlich wie in der Mode - oder ist Luxus für immer und ewig verwurzelt in einigen Marken?

Einige französische Hersteller nehmen wohl an, dass der „wahre Luxus“ immer nur französischen Ursprungs sein kann. Aber das ist natürlich Unsinn. Es kann grundsätzlich jederzeit und überall eine neue Luxusmarke entstehen. Was die Trends angeht, kann sich natürlich alles, was in Vergessenheit geraten und dadurch wieder ungewöhnlich ist, auch irgendwann wiederholen, das ist der normale Gang der Dinge. Trends sind ja auch nur Meinungen, die irgendwelche Leute anderen Leuten glaubhaft machen. Sehr oft sind es aber die Luxusproduzenten, die Trends setzen, zum Beispiel durch Haute-Couture-Mode.

 
Und das lief schon immer so?

Diese Taktik ist schon von Vorvorgestern und geht auf den französisch-italienischen Konkurrenzkampf in der Seidenproduktion im 18. Jahrhundert zurück. Die Italiener produzierten nach chinesischem Vorbild und waren ihren Kollegen aus Lyon qualitativ weit überlegen. Trotzdem setzten sich die französischen Hersteller durch. Alle sechs Monate entschied man am französischen Hof gemeinsam mit den französischen Herstellern über die aktuellen Muster der Saison. Bis sich die neuen Moden auch in Italien herumgesprochen hatten, waren die Muster schon wieder nicht mehr en vogue. Die gleiche Taktik überlebte bis heute in den großen Modenschauen, die immer noch alle sechs Monate stattfinden.

 

Welche Rolle nimmt Mode als Produkt im Luxusbereich ein?

Kleidung nimmt eine wesentliche Rolle ein. Denn Menschen sehen ihre Besitztümer als ihr Extended Self, also ihre verlängerte Persönlichkeit. Mit Luxusprodukten will man ja nach außen hin etwas darstellen, also seine Werte mitteilen oder seine Selbstwahrnehmung beeinflussen. Das geht umso besser, je näher einem diese Produkte sind. Man kann das also mit einem Pullover besser als mit einem Auto und mit dem Auto besser als mit einem Haus. Luxusprodukt-Einsteiger konsumieren zunächst vor allem Kleidung und weiten ihren Konsum später auf weniger persönliche Produktkategorien aus.

 

Wie wichtig ist Werbung für die Vermarktung von Luxusprodukten?

Eines der entscheidenden Merkmale von Luxusprodukten ist deren starke Symbolik. Der Nutzen eines Luxusfüllers oder eines Luxushemds kann also zum Großteil symbolischer Natur sein.Und diese Symbolik muss erst geschaffen werden. Viele sprechen bei Luxusprodukten auch von Magie oder sehen eine Aura. Das wird durch Marketing geschaffen. Ein Großteil des Nutzens von Luxusprodukten wird demnach nicht in der Manufaktur erzeugt, sondern durch das Marketing. Deshalb liegen die Werbeausgaben im Luxussegment auch wesentlich höher als im Massenmarkt.

 

Wie könnte denn ein symbolischer Nutzen aussehen?

Ein Beispiel: Über ein VW-Auto würden die meisten wohl sagen, dass es ganz gut oder „nett“ aussieht. An der Form wird kaum jemand viel auszusetzen haben. Und genau das ist auch Ziel der Massenhersteller: Das Produkt soll möglichst vielen Leuten gefallen und darf deshalb aber auch nichts Merkwürdiges oder sehr Spezielles an sich haben. Ein Luxusproduzent dagegen konzentriert sich auf eine kleine Zielgruppe. Deshalb können und sollen sie auch polarisieren. Ein Aston Martin oder ein Rolls Royce ist ein sehr spezielles Auto, das nicht jedem gefällt. Und das ist auch gut so, denn es soll ja gerade zur Abgrenzung zu anderen beitragen. Je spezifischer also ein Produkt gestaltet ist, desto eher gefällt es nur wenigen Leuten. Denen dafür aber umso besser.

 

Mit welchen Werbeslogans würde man unterschiedliche Luxustypen erreichen?

Das Entscheidende sind die spezielle Zielgruppe und ihre Werte und Motive, die in die Symbolik der Werbung übersetzt werden. Das ist manchmal ganz offensichtlich. Zum Beispiel hatte Mercedes in den USA einen Slogan verwendet, der ins Deutsche übersetzt soviel bedeutet wie ,,Für Leute, die sich belohnen wollen“. Dieser Slogan zielt auf die Generation der Babyboomer ab und ihr in Trendstudien vorausgesagtes persönliches Motiv nach Selbstbelohnung. Luxusmarken haben meist eine starke und ganz eigene Markenidentität, die durch Design, Kommunikation und Verhalten der Markenpersönlichkeit ausgedrückt wird und ganz bestimmte Konsumenten anspricht. So sieht man zum Beispiel auf einer Anzeige des englisches Herrenausstatters Hackett einen Mann mit Gummistiefeln und Anzug in einem Teich stehen, alles um ihn herum ist also Natur. Er trägt eine Fliege und wirkt zwar elitär, trotzdem bleibt der Gesamteindruck authentisch und natürlich. Solche Anzeigen sprechen eher den traditionellen Luxusproduktkonsumenten an.

Auf der anderen Seite gibt es Anzeigen von Dolce&Gabbana, die in einem hochtechnisierten Laborraum aufgenommen wurden. Dort posieren dann halbnackte, perfekte Models in Glitzerkleidung, im Hintergrund Glaskisten mit Babys. Kunden von Hackett würden das als übertrieben empfinden. Diese Anzeigen sprechen eher Leistungsorientierte Individualisten an. 

 
Eine Regel der Luxusforschung besagt, dass der Wert eines Luxusprodukts sich steigert, je mehr Menschen davon träumen, es sich aber nicht leisten können. Fakt ist aber auch, dass der internationale Werbekodex vorgibt, dass Werbung keine soziale Diskriminierung hervorrufen darf und das geschieht doch aber, wenn ich bei Menschen den Wunsch nach etwas wecke, was unerschwinglich für sie ist, oder?

Na gut, das kann man auch anders herum sehen. Diese Werbung motiviert möglicherweise auch hart zu arbeiten, damit man sich die Produkte leisten kann. Für andere macht diese Werbung noch klarer, was sie nicht wollen. Außerdem denke ich, dass sich Menschen vor allem mit ihrer eigenen Lebenswelt vergleichen und deshalb nicht unbedingt neidisch sind. Diese Regel gilt übrigens auch nicht generell für alle Luxusmarken, sondern nur für globale Luxusmarken.

Für Luxus-Kennermarken gilt genau das Gegenteil. Sie werden nicht im Fernsehen beworben, damit nur die kleine feine Zielgruppe von ihnen Notiz nimmt. Eine breitere Kommunikation dieser Marken würde die Nachfrage nicht beleben, sondern langfristig reduzieren. Das liegt daran, dass sich die eigentliche Zielgruppe von der Marke abwendet, wenn sie von solchen Menschen konsumiert wird, von denen man sich eigentlich abgrenzen wollte. 

 

Wie konkret ist man denn als Luxusforscher überhaupt in eine Produktentwicklung eingebunden?

Die konkrete Produktentwicklung ist natürlich Aufgabe der Luxusproduzenten. In der Betriebswirtschaftslehre beschäftigt man sich eher mit strategischen Fragestellungen. Zum einen bespricht man mit den Herstellern von Luxusgütern Trendanalysen. Dabei überlegt man, wo die Gesellschaft und damit auch die Luxuskonsumenten in 15 Jahren stehen könnten und leitet daraus Handlungsempfehlungen ab. Eine Analyse von Konsumtrends hat beispielsweise dazu geführt, dass Luxusproduzenten zunehmend auf auffällige Labels verzichten.

Auch die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien, zum Beispiel über Motive des Luxusproduktkonsums, können in Produkteigenschaften übersetzt werden. Für eine neu gegründete Luxusmarke in Monaco habe ich die Markenpersönlichkeit entwickelt. Im Idealfall würde man dafür die imaginäre Markenpersönlichkeit befragen, welche Farbe und Form sie denn empfehlen würde. Diese Marke spezialisiert sich auf Damenhandtaschen. Durch die Kommunikation der Markenpersönlichkeit soll ein symbolischer Mehrwert geschaffen werden. Dieser symbolische Nutzen ist den meisten Konsumentinnen wahrscheinlich wichtiger als der funktionale Nutzen des Transportgefäßes.

 
 
Und welche Persönlichkeit hat die Handtasche dann letztendlich bekommen?

Wir sind sehr stark auf die Geschichte Monacos eingegangen und haben uns daraus die Symbolik abgeleitet. Modelabels wie Chanel oder Dior orientieren sich in ihren Werten an ihrem Gründer. In diesen Fällen sind die Markenwerte durch die Gründerpersönlichkeiten wie Coco Chanel vorgegeben und nachvollziehbar. Wenn ein neues Label gegründet wird, bei dem nicht der Designer im Mittelpunkt steht, muss die Markenpersönlichkeit künstlich erschaffen, also regelrecht zur Welt gebracht werden. Dadurch wird sie greifbar und erhält ein Gesicht. Aufgrund der langen Tradition des Königshauses in Monaco stand zum Beispiel von Anfang an fest, dass die Marke eher traditionell als modern oder exzentrisch positioniert werden würde. Die Marke wurde mit dem Zauber von Grace Kelly verknüpft, die in den 50ern in Monaco angekommen ist und dort berühmte Society-Events eingeführt hat. Es geht also eher um Glamour, aber auch um Sicherheit.