Technik: Der Schiedsrichter aus der Maschine

Tore mit der Hand, böse Fouls und falsche Abseits. Weil immer mehr Fehlentscheidungen das faire Fußballspiel stören, werden zunehmend technische Hilfsmittel gefordert. Aber machen sie den Sport gerechter?

Fehlentscheidungen, die die Welt bewegten – Klick‘ dich durch

Wembley revenge, Weltmeisterschaft 2010
Deutschland gegen England

Terrys Klärung, Europameisterschaft 2012
England gegen Ukraine


Wembleytor, Weltmeisterschaft 1966
Deutschland gegen England

Kießlings Phantomtor, Bundesliga 2013
Bayer 04 Leverkusen gegen 1899 Hoffenheim

Helmers Phantomtor, Bundesliga 1994
FC Bayern München gegen 1. FC Nürnberg


Den ersten Schiedsrichter im Profi-Fußball gab es 1873 und mit ihm die erste Fehlentscheidung. Seitdem vergeht kaum ein Tag, kein Spiel, in dem nicht mindestens einmal falsch gepfiffen oder eine falsche Karte gezeigt wird. Fehler der Schiedsrichter, die Spiele entschieden und damit zum Ruhm einer Mannschaft und dem Niedergang der anderen geführt haben, haben bei Fußballfans einen Legendenstatus.

Die „Mutter aller Fehlentscheidungen“ – zumindest für deutsche Fans – ist das Wembley-Tor, das im Finale der Weltmeisterschaft 1966 zwischen England und Deutschland fällt. In der 101. Minute schießt der englische Stürmer Geoff Hurst den Ball an die Unterkante der Latte. Er prallt auf der Torlinie auf, überquert sie zu keinem Zeitpunkt, aber der Schiedsrichter gibt das Tor zum 3:2 für England dennoch. Obwohl der Endstand 4:2 lautet, kippt das zu Unrecht gegebene Tor die bis dahin enge Partie.

Zu einer kuriosen Fehlentscheidung kommt es in der deutschen Bundesliga am 32. Spieltag der Saison 1993/94. Im Spiel zwischen dem FC Bayern München und dem 1. FC Nürnberg gibt es in der 24. Minute Eckball für Bayern. Der Ball fliegt in den Strafraum und landet vor Thomas Helmer, der erst den Nürnberger Torwart Andi Köpke anschießt und den Ball dann am linken Pfosten vorbei ins Aus schiebt.

Zur Verwunderung der Spieler und Zuschauer entscheidet der Schiedsrichter auf Tor. Das Spiel endet 2:1 für den FC Bayern München, doch das DFB-Sportgericht setzt ein Wiederholungsspiel an. Dieses gewinnt der FC Bayern München 5:0 und wird Meister in der Bundesliga. Nürnberg muss in die Relegation und steigt letztendlich in die zweite Liga ab.

Wir werden nie erfahren wie diese Spiele ausgegangen wären, wenn der Schiedsrichter nicht falsch eingegriffen hätte. Können technische Hilfsmittel in Zukunft für korrekte Entscheidungen sorgen.

Ungenau und unromantisch – sagen Kritiker

Seit langem diskutiert Fußball-Deutschland darüber, ob technische Hilfsmittel eingeführt werden sollen oder nicht. Zahlreiche Verantwortliche, Trainer und Spieler sprechen sich für die Technik aus. FIFA-Präsident Josef Blatter sagt im Jahr 2003: „Solange wir ein System finden, das zuverlässig anzeigt: Tor ja, Tor nein – dann findet das meine Unterstützung.” Von den ersten Diskussionen an melden sich auch Widersacher zu Wort. UEFA-Präsident Michel Platini befürchtet, dass die Technik Schiedsrichter überflüssig macht und dem Fußball die Spannung nimmt. Zudem sei die Technik nicht verlässlich und die Installation im Stadion für manche Vereine zu teuer.

Bei anderen Sportarten sorgt Technik schon lange für mehr Gerechtigkeit – sieh‘ dir die Videos an und finde heraus wie

Der Kompromiss sind zwei Torrichter, die bei der Europameisterschaft 2012 eingesetzt werden. Sie überzeugen aber nicht. Im Vorrunden-Spiel der EM wird trotz der Torrichter ein Treffer der Ukraine gegen England nicht anerkannt. Das Gastgeberland verliert und scheidet aus dem Wettbewerb aus. Kurz darauf gibt das FIFA-Regelkomitee grünes Licht für die Einführung der beiden Systeme „Hawk-Eye“ und „GoalRef“. Sie werden bei der FIFA Klub-WM Ende 2012 in Japan und beim Confederations Cup 2013 in Brasilien getestet.

Hawk-Eye, GoalControl und GoalRef bewähren sich

In der britischen Premier League werden seit Beginn der Saison 2013/2014 die Kameras des „Hawk-Eye“-Systems verwendet. In Deutschland lässt hingegen die Einführung technischer Hilfsmittel weiter auf sich warten. Im März 2014 erteilen die Vertreter der 36 deutschen Profiklubs jeglicher Technik eine Absage. Diese Entscheidung erweist sich als zweifelhaft, nachdem Borussia Dortmund im DFB-Pokalfinale einige Monate später gegen den FC Bayern München ein umstrittener Treffer aberkannt wird.

Frankreich gegen Honduras bei der WM 2014 – die Torlinientechnik beweist ihren Wert indem sie das Eigentor von Noel Valladares erkennt.

Ihren bis dato größten Auftritt hat die Torlinientechnologie bei der FIFA-WM 2014. Hier werden erstmals die 14 Kameras des „GoalControl“-Systems verwendet, in der Erwartung zweifelsfrei und gerecht über ein Tor entscheiden zu können. Schon in der Vorrunde der Weltmeisterschaft kann sich „Goal Control“ auszeichnen, als der Pfostenschuss von Karim Benzema beim Spiel zwischen Frankreich und Honduras von den Händen des honduranischen Torwarts Noel Valladares abprallt und über die Linie rollt. Auf den Live-Bildern im Fernsehen ist kaum zu erkennen, dass der Ball über der Linie ist. Doch die Wiederholung aus verschiedenen Kameraperspektiven beweist, dass das System richtig entschieden hat.

Maximilian DautnerTechnik: Der Schiedsrichter aus der Maschine