2003: Glück + Jubiläum
„Viel Glück!“ wünschen wir uns zu wichtigen Anlässen und an markanten Lebensstationen: vor Prüfungen, bei Geburtstagen oder zu Jubiläen, am Beginn eines neuen Jahres. Glücklich zu werden, darin sehen sieben von zehn Deutschen den Sinn des Lebens. Aber nur jeder Dritte behauptet, es auch wirklich zu sein.
Kaum ein anderes Thema hat die Dichter und die Denker so beschäftigt wie die Suche nach dem Glück. Durch die Jahrhunderte hindurch lassen sich zwei große Glücks-Fraktionen unterscheiden. Die einen sehen das Streben nach Glück sogar als ein Grundrecht des Menschen – das „pursuit of happiness“ wird in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten ausdrücklich garantiert. Und sie betonen den aktiven Beitrag: „Jeder ist seines Glückes Schmied“, „Fleiß ist des Glückes Vater“ und „Das Glück ist den Kühnen hold“, sagt der sprichwörtliche Volksmund. Und Dichter wie der derbe Plautus („Sein Glück schafft sich jeder selbst“), der klassische Vergil („Den Wagemutigen hilft das Glück“) und der tiefgründige Dostojewskij („Glück ist nur in der Tugend enthalten“) stimmen ihm bei. Glück also als Planung, als Leistung und als Belohnung.
Die anderen sehen den großen Zufallsgenerator in der Lotterie des Lebens am Werk. „Es besteht eine Verwandtschaft zwischen den glücklichen Gedanken und den Gaben des Augenblicks: Beide fallen vom Himmel“, so schreibt Friedrich Schiller am 2. Juli 1799 an seinen Kollegen Goethe. Und Federico Garcia Lorca notiert mehr als ein Jahrhundert später: „Das Glück fällt dem zu, der es am wenigsten erwartet.“
„Das beste Mittel, das Glück zu verpassen, besteht darin, es zu suchen.“ Trotz dieser Mahnung von Paul Claudel sind immer mehr Zeitgenossen auf Glückssuche. Und eine reichhaltige Ratgeberliteratur verspricht ihnen, die Goldadern des Glücks auch wirklich zu finden. Anleitungen zum Glücklichsein haben Konjunktur. Ein Buch mit dem Titel „Die Glücksformel oder Wie die guten Gefühle entstehen“ wurde in kürzester Zeit zum Bestseller – acht Auflagen erschienen in wenigen Monaten.
Die meisten Mitteleuropäer haben heute eher mit Problemen der Fülle als mit Problemen des Mangels zu kämpfen. Waren, Dienstleistungen und Lebensstiloptionen im Überfluss – aber welche davon lösen ihre Glücksversprechen auch wirklich ein?
„Der Buchdruck hat das Glück der Menschen nicht gefördert.“ Trotz dieser pessimistischen Feststellung Tolstois haben sich die Redakteure und Autoren von einsteins nicht davon abhalten lassen, auf Glückssuche zu gehen. Glückssymbole und Glücksspiele, Glückskekse und Glücksforschung, Glück und Unglück in psychologischer, neurologischer und physiologischer Hinsicht – das sind einige der Themen, die in den Reportagen, Berichten und Interviews zur Sprache kommen. Dem Thema des Glückes (gefühls) und der Spaßgesellschaft gilt die Aufmerksamkeit ebenso wie den Ergebnissen der Demoskopie und der interdisziplinären Glücksforschung.
Unsere Zeitschrift erscheint zum dreizehnten Mal. Die 13 ist keine Glückszahl, bedeutet aber eine Premiere: Parallel zur Printausgabe wird einsteins erstmals im Internet präsentiert unter www.ku-eichstaett.de/einsteins. Wo auch immer Sie uns lesen, sehen oder hören – am Ende gilt der Wunsch vom Beginn: Viel Glück!
Namen
Redaktion: Alexander Godulla, Aroa Moreno, Anne Essei, Anne-Katrin Schneider, Andre Stiefenhofer, Christina Grblber, Christine Latz, Clara de la Flor, Clemens Schömann-Finck, Cornelius Heyer, Danyal Alaybeyoglu, Franziska Rötzsch, Jana von Bergner, Judith Wildt, Julia Bauer, Julia Mend, Julian Knapp, Katharina Rau, Kristina Acker, Liane Rothenberger, Maria Findeiss, Marta Aguilar Castillo, Matthias Karpstein, Matthias Strobel, Matt Smis, Reto Peter Glemser, Ralf Hohlfeld, Stephan Zengerle, Steffen Becker, Steffen Windschall, Stephanie Neumeier, Susanne Kleist, Tobias Schmidt, Walter Hömberg, Jens Schröter
Themen
Der Gewinner | Verona im Schrank, Evlis im Regal
Der Verlierer | Er spielt, er ist süchtig, er ist selbst schuld
Geliebter Tyrann | Er schlägt, er schreit, er ist ein Traummann
Auf nach Irgendwo | Warum man in der Ferne schweift
Hans im Glück | Comic: Geld allein macht glücklich
Ein lebendiger Leichnam | Du hast das Lachen verloren
Eine Frau dreht am Rad | Irene Nentwig bringt die Kugel ins Rollen
Reality TV | Vergesst Atabella. Wir sind die besseren Feen
Zwöfmal schlucken | Trauben entscheiden Spaniens Schicksal
Fette Gefühle | Manipulation im Magerquark
Auftsand im Keks | Rezept für verborgene Botschaften
Traumprinzessin sucht Gewinnertyp | Ein bisschen Püschel-Philosophie
Reine Kopfsache | Vom Molekül zum Gefühl
Ein Glück suchendes Wesen | Interview: Alfred Bellebaum seziert eine Emotion
Der Herr hat’s gegeben, der hat’s genommen | Hat Isaac Newton den Zufall abgeschafft?
Frei sein ist alles | Zufirdenheit kenn keine Krise
Der Deckel passt | Interview: Auf ein Wort mit Kerstin Kazzazi
Heinzelmanns Rache | Spucken vertreibt die bösen Geister
Das Glück ist ein Knochen | …oder ein Tintenfisch
Um Haaresbreite knapp daneben | Tore, Tränen und Triumphe
Leben in letzter Konsequenz | Schriftsteller schreiben ihr Glück ab
Wer kann sagen, wer du bist? | Workshop der Weisen